Solingen Salafist will der Gruppendynamik unterlegen sein

Solingen · Befangenheitsantrag gegen Vorsitzende Richterin abgelehnt. Verteidiger scheitert auch mit weiteren Beweisanträgen.

Gestern war kein guter Tag für die Verteidiger der Salafisten, die sich im Berufungsverfahren wegen der Vorfälle am 1. Mai 2012 vor dem Wuppertaler Landgericht verantworten müssen. Zunächst hatte ein Richter den Befangenheitsantrag gegen die Richterin abgelehnt, die das Verfahren führt. Es bestehe kein Anlass zu glauben, die Richterin habe das Urteil schon im Vorhinein gefällt und sei nicht unvoreingenommen, hieß es in der Begründung der Ablehnung.

Aber auch weitere Anträge vom Verteidiger des Wortführers der Salafisten-Demonstration gegen Pro NRW wurden angelehnt. So wird kein Psychiater beauftragt, festzustellen, dass der angeklagte Prediger nach dem Zeigen der Mohammed-Karikaturen durch Pro NRW so sehr unter den "gruppendynamischen Einflüssen" gestanden hat, dass er zu diesem Zeitpunkt eingeschränkt schuldfähig war. Auch wird kein Religionswissenschaftler der Universität Kairo gehört, der sich nach dem Antrag der Verteidigung damit beschäftigen soll, dass alle vom Angeklagten vertretenen Thesen unter die Religionsfreiheit fallen.

Das Gericht habe selbst die erforderliche Sachkunde für die Feststellung, dass es keine Anzeichen dafür gebe, dass der Angeklagte von der Norm abweicht. Die Wirkung gruppendynamischer Prozesse sei allgemein bekannt und der Vorsitzenden auch im Besonderen, weil sie sich seit Jahren mit Fällen beschäftigt, in denen gruppendynamische Prozesse eine Rolle spielen. Was die Bestellung eines Religionswissenschaftlers angehe, so sei es nicht Aufgabe in dem Prozess, über die religiöse Korrektheit im Verhalten des 30-Jährigen zu entscheiden, sondern nur über Dinge, die strafrechtlich relevant sind. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte dem Verteidiger zuvor Prozessverschleppung vorgeworfen und sich ebenfalls gegen die Anträge ausgesprochen.

Februar 2014: Salafistenkundgebung und Gegendemos in Mönchengladbach
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Auch nach der Ablehnung der weiteren Anträge konnte das Verfahren gestern nicht fortgesetzt, da der Rechtsanwalt nun die Vernehmung von sieben weiteren Demonstrationsteilnehmern als Zeugen beantragte sowie die Anhörung eines Stimmen-Sachverständigen, der bestätigen soll, dass der Angeklagte keine zweifelhaften Aussagen zum IS gemacht hat. Über die neuen Anträge wird das Gericht bis zum nächsten Verhandlungstag am 10. November entscheiden.

Salafisten verteilen Koran in Mönchengladbach
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Das Verfahren gegen die beiden anderen Angeklagten könnte dann abgetrennt werden. Die beiden 29-Jährigen waren vom Amtsgericht in Solingen wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Polizeibeamte zu Haftstrafen von einem Jahr beziehungsweise acht Monaten verurteilt worden. Einer der Verurteilten streitet um ein milderes Urteil, im Fall des anderen hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt und strebt eine höhere Bestrafung an. Gegen alle drei Angeklagten waren die Strafen zur Bewährung ausgesetzt worden, weil sie bislang nicht vorbestraft sind.

Der Wortführer der Demonstration war vom Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Landfriedensbruch im besonders schweren Fall sowie Bedrohung zu neun Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt worden.

(RP)
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