Viersen Störche finden kaum Lebensräume

Viersen · Seit wenigen Jahren sind im Kreis Viersen wieder Störche zu Hause. Weil es aber immer weniger Auenlandschaften gibt, haben es die Tiere schwer, sich zu vermehren. Momentan leben im Kreis nur einzelne Störche.

An den Frühling des Jahres 2010 erinnert sich Stefani Pleines gerne zurück. "Damals haben nach 50 Jahren der Abwesenheit zum ersten Mal wieder Störche im Kreis Viersen gebrütet, das war ein großer Erfolg", sagt die Mitarbeiterin der Biologischen Station Krickenbecker Seen. Sie beobachtet seit Jahren, wie sich die Population der stark bedrohten Art in der Region entwickelt. 2011 ist ein brütendes Paar auf einem Bauernhof in der Nähe von Kempen hinzugekommen.

Doch inzwischen liegen die beachtlichen Bruterfolge Jahre zurück. Seitdem hat sich die Situation der Störche im Kreis Viersen verschlechtert. Es sind nur noch vereinzelt Störche im Kreisgebiet unterwegs, brütende Paare gibt es derzeit nicht. "Unseren Störchen geht es nicht gut", sagt Pleines.

Ein wichtiger Faktor für diese Entwicklung ist nach Meinung der Biologin, dass die natürlichen Lebensräume der Tiere klein sind und noch kleiner werden. "Der Bau von Autobahnen, Straßen und auch der Ackerbau setzen dem Storch zu." Diese zunehmende Verstädterung geht oft mit der landwirtschaftlichen Nutzung großer Flächen einher. Das führt dazu, dass es im Kreis immer weniger Fluss-Auenlandschaften gibt. "Das ist für die Störche ein großes Problem", sagt die Diplom-Biologin. "Denn nur dort finden die Tiere ein ausreichendes Nahrungsangebot, um auch Jungtiere großzuziehen." Auch der nass-kalte Sommer 2012 habe dazu beigetragen, dass die Storchbestände in Nordrhein-Westfalen zurückgegangen sind. "Viel Niederschlag kann dazu führen, dass Wasser im Nest steht, an der entstehenden Kälte sterben die Jungtiere", erklärt Pleines. Im Kreis Viersen fielen im Jahr 2012 zwei Jungvögel dem nass-kalten Wetter zum Opfer. Landesweit gebe es 124 in der Natur lebende Brutpaare, am Niederrhein seien es 25 Störche, teilte die Biologin mit.

Ehrenamtliche Helfer haben in den vergangenen Jahren viele Anstrengungen unternommen, um für bessere Lebensbedingungen zu sorgen. "Leider liefen die meisten davon aber ins Leere", sagt Pleines. In Viersen montierten Helfer zwar 32 Nisthilfen für Störche - nur leider nicht an den richtigen Orten: "Viele der Hilfen wurden direkt in der Natur errichtet. Die Störche fühlen sich aber in der direkten Umgebung der Menschen wohl", sagt Pleines. Also blieben die Nisthilfen ungenutzt.

Genauer betrachtet ist das Verhältnis zwischen Storch und Mensch paradox. Der Storch ist ein Kulturfolger: Er hält sich gerne in der Nähe des Menschen auf. Gleichzeitig nimmt der Mensch dem bedrohten Tier den Lebensraum, obwohl der Storch als Sympathieträger und sogar Glücksbringer gilt.

Sollen am Niederrhein wieder mehr Störche heimisch werden, gilt es, dieses Missverhältnis zu überwinden, mahnt Pleines. "Wir müssen uns überlegen, wie wir mehr Lebensräume für Störche schaffen können."

Wenn wieder mehr feuchte Wiesen und Auenlandschaften entstehen würden, könnten auch andere bedrohte Vogelarten davon profitieren. "Die Bekassine, die Rotschenke und der große Brachvogel sind im Kreis Viersen ausgestorben, weil auch ihnen der Lebensraum genommen wurde", sagt Pleines. "Die Niersniederung an der Clörather Mühle ist der einzige Raum im Kreis Viersen, der für ein Brutpaar geeignet ist", sagt Pleines. Genau dort siedelten sich 2008 nach Jahren der Abwesenheit die ersten Störche wieder an.

Dem Storch geht es aber nicht überall in Europa schlecht. In Polen beispielsweise beobachten Ornithologen sogar einen Populationsüberdruck. Das heißt, es gibt zu viele der in Deutschland seltenen Tiere. Daher gibt es Überlegungen, Tiere von dort nach Deutschland zu bringen - dafür müssten aber erst die Grundlagen geschaffen werden.

(RP)
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