Wesel "Man muss technisch hören können"

Wesel · Die Weselerin Lina Wemhoff ist Klavierbaumeisterin. Erst kürzlich hat sie für den gefeierten Pianisten Martin Stadtfeld gearbeitet, der eine ganz bestimmte Modifikation des Instruments gewünscht hatte. Für sie kein Problem.

 Klavierbaumeisterin Lina Wemhoff bei der Arbeit. Zu ihrem Beruf kam sie, weil sie Musik immer mochte, daneben stets auch an Handwerklichem interessiert war.

Klavierbaumeisterin Lina Wemhoff bei der Arbeit. Zu ihrem Beruf kam sie, weil sie Musik immer mochte, daneben stets auch an Handwerklichem interessiert war.

Foto: Wemhoff

"Gestern habe ich im Bühnenhaus das ,Sostenuto-System im Weg' aus dem Steinway-Konzertflügel herausgezogen", erzählt Klavierbaumeisterin Lina Wemhoff, als sie in der RP-Redaktion ankommt. Ihren sieben Monate alten Sohn Jonathan hat sie im Kinderwagen dabei, wie immer, wenn es irgend möglich ist. Sie berichtet von ihrer Arbeit für den berühmten, auch in Wesel begeistert gefeierten Pianisten Martin Stadtfeld, der kürzlich als Solist in Mozarts Klavierkonzert A-Dur zusammen mit der Neuen Philharmonie Westfalen im Bühnenhaus auftrat. Er hatte jene Modifikation des Instruments gewünscht. Zuständig dafür war die Klavierbaumeisterin Lina Wemhoff aus Wesel. Einwandfrei geklappt hatte alles, nach zwei Tagen Arbeit.

 Volle Konzentration, ein ausgezeichnetes Gehör und viel Fingerspitzengefühl sind gefragt.

Volle Konzentration, ein ausgezeichnetes Gehör und viel Fingerspitzengefühl sind gefragt.

Foto: Wemhoff

Erst einmal einen Tag vor dem Konzert den ganzen Flügel neu stimmen in einem Nebenraum. Am nächsten Morgen erneut auf der Bühne, zur Kontrolle. Da wusste Wemhoff noch nichts von Stadtfelds Wünschen. Als der Pianist am Aufführungstag ankam, die Stimmung prüfte und in Ordnung fand, bat er aber noch um eine Veränderung: um jenes Sostenuto-System im Weg. Dafür werden Filzstreifen unter die Tasten gelegt. Die sorgen für eine geringere Steighöhe - Weg des Hammers zur Saite - und für eine geringere Spieltiefe - Weg der Taste von der Ruhelage nach unten. Dadurch verändert sich die Dynamikbandbreite: Pianissimo ist möglich, forte und fortissimo dagegen nicht. Der Klang wird zarter, wird einem Hammerflügel ähnlich, ist also ideal für Mozart. Stadtfeld packte seine eigenen Filzstreifen aus. Die passten jedoch nicht zum Weseler Konzertflügel. Aus Erfahrung rüstet sich Wemhoff immer für mögliche Überraschungen. Sie hatte mehrere Filze im Auto, eine Sorte passte.

Wesel: "Man muss technisch hören können"
Foto: Wemhoff

Zu ihrem Beruf kam sie, weil sie Musik immer mochte, daneben stets auch an Handwerklichem interessiert war. Nach dem Abitur am Weseler AVG machte sie ein Praktikum bei einem Klavierbauer in Mülheim/Ruhr. Danach stand ihr Berufswunsch fest. Bei der Firma Klaviere Sund in Mülheim wurde sie ausgebildet, ihre Gesellen- und Meisterprüfung legte sie bei Schimmel in Braunschweig ab. Sie arbeitet inzwischen beim Niederrheinischen Klavierhaus Georg Neinhuis in Kalkar. Mit ihrem Chef bildet sie seit August den jungen Menschen Jonas Schreyer aus. Der erreichte jüngst im Stimmwettbewerb bei der Firma Schimmel die beste Punktzahl in seiner Kategorie Erstes Lehrjahr.

An Christi Himmelfahrt mit dem darauf folgenden Wochenende findet immer die Jahrestagung des Bundes Deutscher Klavierbauer (etwa 400 Mitglieder) statt. Wemhoff gehört dem zwölfköpfigen Vorstand an. Sie ist auch immer bei den Prüfungen zum Stimm-Wettbewerb dabei. Die Klavierbauer tagten in diesem Jahr in Hamburg im kleinen Saal der Elbphilharmonie. Der große Konzertsaal wurde besichtigt. Lenas Sohn Jonathan durfte ihn testen. Ihm wurde ein Räuspern entlockt, dessen pianissimo wurde prompt überall gehört. Außerhalb der Sitzungen betreute Vater Norbert Schulz-Wemhoff den kleinen Sohn. An einem Tag waren die Klavierbauer bei der Firma Steinway zu Seminaren eingeladen, eines lief - wie passend - zum Thema Sostenuto-System.

Lina Wemhoff kann offenbar sehr gut stimmen. "Man muss technisch hören können", erklärt sie. "Absolut stimmen, also Ton für Ton, geht nicht. Es funktioniert nur, wenn man Töne beim Anschlagen miteinander vergleicht und auf einen Grundton bezieht. Und das dauert Stunden", sagt Wemhoff.

(hb-)
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