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Stadt Willich Mit Zollstock, Bleistift und Nagel

Stadt Willich · Sinje Dahmen hat sich für einen ungewöhnlichen Ausbildungsberuf entschieden. Die 21-Jährige erlernt den Maurerberuf im Bereich der Denkmalpflege.

 Sinje Dahmen hat sich für den Maurerberuf entschieden. Ihr Chef Antonius Kiwall war zunächst skeptisch, bereut es jetzt aber nicht mehr, der jungen Frau die Lehrstelle angeboten zu haben.

Sinje Dahmen hat sich für den Maurerberuf entschieden. Ihr Chef Antonius Kiwall war zunächst skeptisch, bereut es jetzt aber nicht mehr, der jungen Frau die Lehrstelle angeboten zu haben.

Foto: Wolfgang Kaiser

Mit gleichmäßigen Bewegungen verteilt Sinje Dahmen den Lehmputz auf der Wand. Routiniert hantiert die junge Frau mit Kelle und Glätter. "Das sieht gut aus", lobt Antonius Kiwall, der selbst an der entgegengesetzten Seite arbeitet. In dem Schiefbahner Haus sieht es auf der ganzen Linie nach Baustelle aus. Offene Wände mit Heizungsschlangen warten auf ihren Lehmputz, Arbeitsmaterial steht herum, Böden sind aufgerissen, und lediglich ein Bollerofen sorgt für Wärme. Alltag für Dahmen, wenngleich es doch etwas Ungewöhnliches ist. Die 21-jährige Dülkenerin lernt nämlich einen für Frauen immer noch äußerst seltenen Beruf: Sie wird Maurerin.

"Eigentlich war es ein Zufall, dass es eine Maurerlehre geworden ist", erzählt Dahmen. Schon während sie das Clara-Schumann-Gymnasium besuchte, war es ihr Wunsch, einmal in der Denkmalpflege zu arbeiten. Altes zu erhalten, liegt ihr am Herzen. Doch irgendwie wusste sie nicht so genau, wie sie ihren Traum nach dem Abitur angehen sollte. Die angebotenen Studiengänge sagten ihr nicht zu. Für ein Jahr ging es daher zunächst nach Australien. Wieder zurück, startete sie mit Praktika in verschiedenen handwerklichen Berufen. Doch nirgendwo sprang der Funke über. Durch ihren Onkel erfuhr sie von dem Brüggener Unternehmen Kiwall & Söhne, das sich auf Arbeiten in der Denkmalpflege spezialisiert hat. Kurzentschlossen rief sie an und stieß erst einmal auf Skepsis.

"Ich habe ihr damals gesagt, dass unsere Arbeit auch viel mit Dreck und Staub zu tun hat und nicht einfach ist", erinnert sich der Maurermeister und geprüfte Restaurator im Maurerhandwerk. Doch Dahmen ließ sich nicht abschrecken. Sie startete im Februar ein vierwöchiges Praktikum bei Kiwall, obwohl dieser ihr von der ersten Sekunde an mitgeteilt hatte, dass er nicht ausbilde. Direkt an ihrem ersten Tag durfte die junge Frau mauern und war begeistert. "Man denkt, Stein auf Stein zu setzen, wäre einfach, doch das ist es nicht. Mir hat die Arbeit sofort gefallen", sagt Dahmen.

Daher ließ sie auch nicht locker und bohrte für eine Lehrstelle weiter nach. "Ich hatte Bedenken, weil wir in unserem Betrieb ja keinen Neubau betreiben", sagt Kiwall. Er setzte sich daraufhin mit dem Ausbildungsberater der Handwerkskammer zusammen und besprach den Fall. Der Ausbildungsleiter stand dem Ganzen positiv gegenüber, und für den Bereich Neubau reichte in seinen Augen während der Lehrzeit ein vierwöchiger Besuch in einem entsprechenden Unternehmen. Kiwall bot daraufhin die Lehrstelle an, und Dahmen schlug ein. Wobei sie in der Zeit von Praktikum bis Lehrstellenbeginn am 1. September direkt im Unternehmen blieb und mitarbeitete.

In der Berufsschule ist die 21-Jährige die einzige weibliche Vertreterin, und bei der überbetrieblichen Ausbildung gibt es lediglich eine weitere junge Frau, die allerdings den Beruf des Zimmermannes erlernt. "Der Meister in der Schule sagt, er hat es schon seit Jahren nicht mehr erlebt, dass eine Frau den Maurerberuf ergreift", berichtet Dahmen. Sie findet gerade die Arbeit im Bereich der Denkmalpflege einzigartig, weil es nicht nur eine Frage des reinen Könnens ist, sondern man sich mit dem, was man tut, auseinandersetzen muss. Es kann nicht nach irgendwelchen DIN-Normen gearbeitet werden. Es müssen individuelle Lösungen gefunden werden. "Was auf der einen Baustelle gilt, muss noch lange nicht für die nächste gelten. Es ist eine Herausforderung, sich mit den Materialien auszukennen. Mörtel ist nicht gleich Mörtel. Man muss ein Gefühl für die Arbeit in der Denkmalpflege bekommen und auch bereit sein, querzudenken", sagt Kiwall.

Alles das bringt Dahmen mit, und daher bereut es der Maurermeister nicht, ihr eine Ausbildungsstelle gegeben zu haben. Einen Knackpunkt gibt es aber bei dem Lehrling: Kopfrechnen. "Darin bin ich ganz schlecht", gibt Dahmen lachend zu. Einen Taschenrechner zieht sie aber nicht aus den Taschen ihrer Arbeitshose. Dorthin gehören nur Zollstock, Bleistift und ein Nagel, denn den braucht man ganz oft auf dem Bau.

(tref)
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