Wülfrath Sessions unterm Dach der Bürgermeisterin

Wülfrath · Der Musikkreis Wülfrath feiert sein 60-jähriges Bestehen. Ursprünglich kamen Zitherspieler aus Bayern zu den Kalkwerken und blieben hier.

 Sie geben bei den Musikfreunden Wülfrath den Ton an (v.l.): Verena Düssel, Stephan Lux, Gabriele Geist und Ingo Wünsch.

Sie geben bei den Musikfreunden Wülfrath den Ton an (v.l.): Verena Düssel, Stephan Lux, Gabriele Geist und Ingo Wünsch.

Foto: Dietrich Janicki

Ganz oben unter dem Dach des Rathauses, noch über der Machtzentrale des Bürgermeisterbüros, rasseln und spuken jeden Dienstagabend die Musikfreunde. Der Spitzboden gehört laut Türschild zum Stadtarchiv und wird seit einigen Jahren als Probenraum dieses Urgesteins der lokalen Musikgeschichte äußerst lebendig beschallt.

Über die nun 60 Jahre Existenzdauer des Vereins geisterten die Musiker durch ganz Wülfrath. Das Herzstück des Gründungsensembles bildeten aus Bayern nach den Kalkwerken ausgewanderte Zitherspieler. Sie trafen sich zunächst in der Gaststätte an der Wilhelmshöhe. Geübt wurde später im alten Kino und Restaurant Mykonos, bei Farben Jonas und der Feuerwehr, unter der Sporthalle Goethestraße und am Jugendhaus.

Einzig verbliebender Zitherspieler ist heute Gert Heinel, der bereits kurz nach der Vereinsgründung als 14-jähriger zur Gruppe stieß. Die führende Rolle unter den Instrumenten schiffte mit der Zeit hin zu den Akkordeons.

Eines dieser Aerophone wird von Gabriele Geist beherrscht. Auch sie kam schon als Jugendliche zu den Musikfreunden und führt heute deren nimmermüden Geschäfte. Jährlich besucht das Kollektiv das Akkordeonfestival in Hoek van Holland sowie die britische Partnerstadt Ware, wo man kürzlich mit dem befreundeten Chor Young Voices auftrat.

Das Orchester aus 13 Instrumentalisten dirigiert seit 2009 der musikalische Leiter Stephan Lux. Gelassen und zurückhaltend kitzelt er aus jedem Musiker den persönlichen Stil zum Wohle des Gesamtklanges: "Man muss gucken, was man vorfindet und das versuchen zu formen, damit es zum optimalen Ergebnis kommt." Bei der Stückeauswahl gibt das demokratische Verfahren. Aktuell wird an den fidel frivolen "Ballsirenen" von Franz Lehár und dem verspielten "Music" von John Miles gefeilt.

Entnommen werden die Partituren dem Bestand eines von Notenheftern überbordenden Archivschranks. Als begabter Kreativkopf arrangiert Akkordeonistin Gisela Bock die Lieder für die ungewöhnliche Besetzung. Dazu transponiert sie Tonarten und erfindet neue Stimmen per digitaler Notensetzung am PC.

Eine komplette Eigenkomposition schufen die Musikfreunde noch nicht, doch zum Jubiläumskonzert könnte es soweit sein.

Dort darf das Publikum auf das Auftauchen weiterer Perlen der Musikfreunde hoffen. Verewigt sind sie etwa auf einer von der Stadt Wülfrath in der Stadthalle aufgenommenen Schallplatte aus den siebziger Jahren.

Auf diesem verstaubten Vinyljuwel drehen sie sich neben anderen Dinosauriern der hiesigen Musikszene wie dem Spielmannszug, dem MGV und den Deutschen Sängern. Sogar bei einem halbstündigen Spielfilm mit dem Titel "14 Tage Argentinien" wirkten die Musikfreunde mit. Er wurde 1982 in der Langenberger Pampa gedreht.

(lard)
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