Flugzeugabsturz Das unheimliche Verschwinden von MH370

Düsseldorf · Vor einem Jahr verschwand die Boeing 777 der Malaysia Airlines mit 239 Menschen an Bord. Bis heute fehlt jede Spur - sowohl von der Maschine als auch von den Opfern. Es ist das größte Mysterium der zivilen Luftfahrt.

Fakten rund um die Suche nach Flug MH370
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Foto: afp, MV/RAB/mos

Der Pilot hat Selbstmord begangen. Das ist die jüngste Expertenmeinung im Fall der am 8. März 2014 spurlos verschwundenen Boeing 777-200 ER der "Malaysia Airlines" mit 227 Passagieren und zwölf Besatzungsmitgliedern an Bord. Andere Vermutungen gehen in Richtung Terrorismus, Kriminalität oder Verschwörung.

Es bleiben indes bloße Spekulationen, weil nur die "Black Box" mit Voice-Recorder, die laufend die technischen Daten und die Stimmen im Cockpit aufzeichnet, Aufschluss über die tatsächlichen Vorgänge an Bord geben kann. Doch die groß angelegte Suchaktion nach dem Flug MH370 läuft inzwischen seit einem Jahr - ohne jeden Erfolg.

Für die Fluggesellschaften ist das ein Grund zu großer Beunruhigung, insbesondere für die Airlines, die die Boeing 777 einsetzen, den größten zweistrahligen Jet der Welt mit einer Reichweite von bis zu 20 000 Kilometer. Denn fest steht, dass 40 Minuten nach dem Start in Kuala Lumpur in Richtung Peking plötzlich jeder Kontakt abbrach - und zwar durch die Abschaltung der Kommunikationssysteme, was Laien wie den Flugpassagieren unmöglich ist.

Der Fall des verschwundenen Flugs MH370
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Der Fall des verschwundenen Flugs MH370

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Foto: dpa, ra ms

Dies erfolgte genau zu dem Zeitpunkt, als die Flugüberwachung von malaysischen Lotsen zu den vietnamesischen Kollegen wechselte, so dass weder der abgeschaltete Transponder (die im Sekundentakt ausgestrahlte elektronische Jet-Kennung, mit die Fluglotsen die Route die Flugzeuge verfolgen), noch der abgebrochene digitale Datenfunk zunächst auffielen.

"In Ordnung, gute Nacht", waren die letzten Worte aus dem Cockpit um 1.19 Uhr zu den malaysischen Fluglotsen, dann herrschte für immer Funkstille. Es wollte also jemand, ob von innen oder von außen, diese Maschine unsichtbar machen und verschwinden lassen, ein Albtraum für die zivile Luftfahrt.

Der Jet befand sich zu diesem Zeitpunkt in mehr als zehn Kilometer Höhe über dem Golf von Thailand, normalerweise nach dem Einschalten des Autopiloten die sicherste Phase eines Langstreckenflugs. Die Auswertung aller Daten, auch der von Inmarsat-Satellit 3 F 1, der alle 60 Minuten ein nicht abschaltbares automatisches Signal von Verkehrsflugzeugen empfängt, ergab, dass MH370 noch rund sieben Stunden ohne erkennbare Probleme weiterflog.

Die Suche nach Flug MH370
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Die Suche nach Flug MH370

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Foto: afp, rix

Irgendwo über dem Indischen Ozean wird schließlich der Treibstoff ausgegangen sein, falls der Jet nicht unbemerkt ein Ziel an Land angesteuert hat. Ein malaysisches Militärradar registrierte, dass MH370 nach Abbruch der Verbindungen noch zweimal erheblich die Richtung änderte, bevor sich die Spur verliert. Übernahm ein Profi-Hacker im Auftrag von Terroristen oder Erpressern die Steuerung der Maschine? Technisch soll das möglich sein. Oder gelang es einem Unbekannten, trotz der Sicherheitstür ins Cockpit einzudringen? Waren es der Flugkapitän oder der Co-Pilot, die den jeweils anderen Kollegen aus dem Cockpit lockten, um den Jet abstürzen zu lassen oder zu entführen? Jede dieser Thesen alarmiert die Verantwortlichen der Airlines. Tritt eines dieser Szenarien ein, dann kann sich ein Fall wie MH370 jederzeit wiederholen.

Die Selbstmord-Theorie birgt besonderen Zündstoff: Nach der US-Terrorkatastrophe am 11. September 2001 wurden die gepanzerten Cockpit-Türen eingeführt, die nicht mehr aufgebrochen werden können. Von außen muss ein Code eingegeben werden; per Videokamera überprüft der Pilot dann, wer hereinkommen will und öffnet.

Darauf fußt die Suizid-These, die weniger absurd ist, als sie erscheint: Im November 2013 hatte sich der lebensmüde Pilot eines Passagierjets aus Mosambik im Cockpit verbarrikadiert und das Flugzeug über Namibia abstürzen lassen. Auf dem später aus dem Wrack geborgenen Voice-Recorder war das verzweifelte Klopfen des ausgesperrten Co-Piloten zu hören. Damals starben 33 Menschen. Piloten kritisierten, dass diese Türsicherung auch dann zu einem Absturz führen könne, wenn gerade nur ein Pilot im Cockpit sitzt und einen Schwächeanfall oder Herzinfakt erleidet.

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Nur wenige Monate nach dem Verschwinden von MH 370 wurde eine zweite Boeing 777 ausgerechnet der Malaysia Airlines über der Ost-Ukraine abgeschossen, was noch mehr Anlass gab für kühne Vermutungen und Verschwörungstheorien. Die Fluggesellschaft selbst sprach sofort von Terrorverdacht. Vier Passagiere, darunter zwei Iraner, hatten gefälschte Pässe, fünf andere checkten zwar ein, gingen aber nicht an Bord, worauf ihr Gepäck wieder ausgeladen wurde - ein international übliches Verfahren.

Oder wurde MH370 versehentlich durch eine Flugabwehrrakete abgeschossen? Sollte ein Passagier ermordet werden? Befand sich besonders wertvolle Ladung an Bord? Jedem Verdacht wurde nachgegangen - ergebnislos. Im Frachtraum sollen sich 200 Kilo leicht entflammbare Batterien befunden haben, hieß es. Doch bei einem Feuer hätten die Piloten wohl noch einen Notruf absetzen können.

Die 239 Insassen sind inzwischen offiziell für tot erklärt worden. Die Luftfahrt arbeitet an lückenlosen Überwachungssystemen auch bei Langstreckenflügen über Ozeane und Wüsten und sucht Wege, das Abschalten des Transponders durch Menschen hand unmöglich zu machen. Außerdem soll die "Black Box" zukünftig nicht nur Daten aufzeichnen, sondern sie schon während des Fluges weitersenden. Bis Mai wird nach dem Wrack gesucht, die Kosten gehen bereits in dreistellige Millionenhöhen. Die Experten wissen, dass ihre Suche ungleich schwieriger ist als die nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen: Das Gebiet ist riesig, das Wasser bis zu sechs Kilometer tief, der Meeresboden zerklüftet und die See oft sehr rau. Doch alle sind sich einig: Das Rätsel um MH370 muss unbedingt geklärt werden - im Interesse aller künftigen Flugreisenden.

(RP)
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