"Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters" Habemus Pasta!

Die "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters" ist eine satirische Pseudo-Religionsgemeinschaft, die Bier-Vulkane im Jenseits verspricht. Ihre Fans erstreiten sich eigene Gottesdienst-Schilder am Ortseingang – und haben ein ernstes Anliegen.

 "Von seinen nudeligen Gliedmaßen berührt" — Verballhornung der "Erschaffung Adams" aus Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle. "Fliegendes Spaghettimonster" statt Gott? Satire darf das.

"Von seinen nudeligen Gliedmaßen berührt" — Verballhornung der "Erschaffung Adams" aus Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle. "Fliegendes Spaghettimonster" statt Gott? Satire darf das.

Foto: Niklas Jansson, www.androidarts.com

Die "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters" ist eine satirische Pseudo-Religionsgemeinschaft, die Bier-Vulkane im Jenseits verspricht. Ihre Fans erstreiten sich eigene Gottesdienst-Schilder am Ortseingang — und haben ein ernstes Anliegen.

 Gleichberechtigung der Weltanschauungen: Hinweisschilder am Ortseingang von Templin, Brandenburg. Um die Gemüter zu beruhigen, sollen die Nudelmessen-Schilder auf separate Masten umgehängt werden.

Gleichberechtigung der Weltanschauungen: Hinweisschilder am Ortseingang von Templin, Brandenburg. Um die Gemüter zu beruhigen, sollen die Nudelmessen-Schilder auf separate Masten umgehängt werden.

Foto: Rüdiger Weida, www.pastafari.eu

Bitte vervollständigen Sie die folgende Reihe: Grabeskirche in Jerusalem und Petersdom von Rom, Jerusalemer Felsendom und Kaaba in Mekka, Klagemauer in Jerusalem, Pagode von Shwedagon... und — ein Hinweisschild in Templin, Landkreis Uckermark, Brandenburg?

 Ober-"Pastafari" Rüdiger Weida in seiner religiösen Kleidung, einem Piratenkostüm.

Ober-"Pastafari" Rüdiger Weida in seiner religiösen Kleidung, einem Piratenkostüm.

Foto: Rüdiger Weida, www.pastafari.eu

Letzteres ist das wohl sichtbarste Zeichen des Erfolgs der "Kirche des fliegenden Spaghettimonsters", kurz FSM, dessen Anhänger sich Pastafari nennen. Das Schild wirbt für deren wöchentliche "Nudelmesse" — hochoffiziell behördlich bewilligt und aufgehängt unter den traditionellen Schildern mit den stilisierten, violetten und gelben christlichen Kirchen. Und das sogar vierfach; an allen wichtigen Templiner Ortseingängen.

Angeschraubt hat sie dort Rüdiger Weida, 63, pensionierter Sozialarbeiter, gewandet in ein Piratenkostüm, das sich die Pastafari als religiöse Bekleidung auferlegt haben. Seine anderen Erfolge stehen in seinem Briefkopf: "Vorsitzender der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e. V., Gemeinnützige Körperschaft im Sinne der §§ 51 ff AO und Körperschaft nach §5 Abs. 1 Nr. 9 KStG; 062/142/02539 K1".

Für jede dieser Ziffern hat Weida hart gekämpft. Sein Zug durch die Institutionen, Ämter, Behörden macht selbstredend nicht besonders viel Spaß. Aber bei aller Liebe zum Quatsch und (mehr albernen als blasphemischen) Ritualen, Formeln, Liedern bei den "Messen" mit Bier und Nudeln: Den Pastafari geht es eben auch nicht nur um Spaß.

Parallelen zur Satire-Partei "Die Partei"

Personell ähneln die Pastafaris der Piratenpartei, auch inhaltlich ist viel von Piraten die Rede (die den ulkigen Schriften zufolge die Ur-Pastafaris gewesen sein sollen). Programmatisch aber sind die Pastafaris das Pendant zur Spaßtruppe "Die Partei" des Satirikers Martin Sonneborn, die das System Politik auf seinem eigenen Spielfeld und mit seinen eigenen Mitteln herausfordert. Die Pastafaris tun dasselbe mit der Religion.

Gründer des Pastafarianismus ist der amerikanische Physiker Bobby Henderson. Nach dem Motto "Lache, wenn's nicht zum Weinen reicht" reagierte er 2005 mit der Idee des "Fliegenden Spaghettimonsters" auf die Ansichten fundamentalistischer Christen, die die Evolutionstheorie ablehnen und dafür sorgten, dass sogenannter "Kreationismus" oder "Intelligent Design" auf vielen Lehrplänen steht. Um diese alarmierende Wissenschaftsfeindlichkeit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu tragen, entstand die Kirche des FSM.

Und zwar nicht als Witz, stellt Henderson klar. "Pastafaris müssen ja nicht buchstäblich an ein Fliegendes Spaghettimonster glauben. Auch viele Christen beispielsweise nehmen die Bibel nicht wörtlich — aber das heißt ja nicht, dass sie keine 'wahren Christen' sind."

Henderson sieht den Pastafarianismus als Kraft des Guten, als Verfechter von kritischem, wissenschaftlichem, Dogmen-skeptischem Denken und als Mahner gegen Sekten und Geldmacherei. Gegen Religion(en) per se sei er aber keinesfalls: "Jeder ist willkommen — Atheisten, Agnostiker, Freidenker, aber auch Mitglieder anderer Religionen", schreibt er. Unter den Pastafaris seien auch christliche, muslimische, hinduisitische und buddhistische Mitglieder. "Wir sind nicht antireligiös. Wir sind gegen Verrücktheiten im Namen von Religionen."

Demos gegen Salafisten, Mikrokredite für Millionen

In Berlin haben Pastafaris kürzlich gegen Salafisten demonstriert, die sich jeglichen Diskussionen aber entzogen. In Russland wurde ein harmloser gemeinsamer Spaziergang von Pastafaris unter dem Verdacht der Regimekritik gewaltsam aufgelöst. Und auf der Seite kiva.org haben Pastafaris zinslose Mikrokredite im Wert von mehr als 2,3 Millionen Dollar verliehen.

Doch der Kampf gegen Diskriminierung und für die vollständige Trennung von Religion und Staat hat auch unterhaltsamere Seiten: Zu Jahresbeginn erfreute Hendersons Mitstreiter Christopfer Schaeffer Medien weltweit damit, dass er seinen Amtseid als Stadtrat in Pomfret im US-Bundesstaat New York mit Nudelsieb auf dem Kopf ablegte. Ebenso erscheint der österreichische Politiker Niko Alm auf dem Passfoto seines Führerscheins.

In Templin schwelt derweil ein Kalter Krieg der Religionen. "Das sind doch keine Gottesdienste, was die machen, das ist Zirkus", empört sich der evangelische Pfarrer. Die Baptisten beklagen die "Aggressivität" der pastafarianistischen Kirchenkritik, die Katholiken den angeblichen missionarischen Eifer der Nudelmonster-Anbeter. Die Straßenmeisterei schraubten die Schilder hastig ab, als die BBC und sogar chinesische Medien berichteten, Genehmigung hin oder her.

Er will nicht mehr, aber auch nicht weniger, als etablierten Religionen zusteht

Den ebenso streitbaren wie penetrant korrekten Rüdiger Weida alias "Bruder Spaghettus" ficht das nicht an. Er hat neue Schilder besorgt und angeschraubt, dieses Mal exakt so breit wie die anderen. "Eigentlich hatte ich das von Anfang an so geplant und erst beim Anschrauben gemerkt, unsere Schilder waren größer", schreibt Weida auf der Pastafari-Website entschuldigend.

Er will für seine anerkannte Weltanschauungsgemeinschaft ja nicht mehr, als den etablierten Religionen zusteht. Aber eben auch nicht weniger. So ungewohnt und anstrengend das ist. Kompromissbereit ist Weida aber durchaus. Ab nächster Woche sollen die Nudelmessen-Schilder an separaten Masten hängen. Bis dahin hängen sie an den Masten, an denen Templin auf seine Städtepartnerschaften hin weist.

Fundamentalismus liegt Weida schließlich fern. Seltsam liest sich aber seine Reaktion darauf, dass einige seiner Hinweisschilder zwischenzeitlich beschmiert wurden. "Wird die religiös motivierte Gewalt gegen uns zunehmen?" fragt er auf seiner Website in Schriftorm, wobei ironische Untertöne bekanntermaßen verloren gehen. "Werden bald Steine in unsere Fenster fliegen oder wir gar persönlich angegriffen werden?"

Naja, vielleicht war einfach seine letzte Portion Sauce schlecht.

(tojo)
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