Gericht verurteilt Verena Becker Schuldig in drei Fällen

Düsseldorf · Der letzte große RAF-Prozess ist beendet. Das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilte die frühere Terroristin Verena Becker am Freitag zu einer Haftstrafe von vier Jahren. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass sie an der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback am 7. April 1977 maßgeblich beteiligt war. Das Rätsel, wer an diesem Tag die 15 Schüsse abgab, bleibt ungelöst.

Verena Becker - die "schwarze Braut" ist verurteilt
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35 Jahre nach der Tat fällten die Richter das Urteil im Buback-Prozess: Der sechste Strafsenat in Stuttgart befand Verena Becker am Freitag in drei Fällen für schuldig. Bei dem Anschlag im Frühjahr 1977 waren auch zwei Begleiter Bubacks getötet worden: der 30-jährige Fahrer Wolfgang Göbel und Georg Wuster (43), der Leiter der Fahrbereitschaft.

Die drei waren unterwegs in einem Mercedes. Von Bubacks Wohnung in Karlsruhe wollten sie zum Bundesgerichtshof. An einer roten Ampel hielt ein Motorrad neben dem Wagen. Zwei Personen saßen darauf, beide trugen einen olivgrünen Integralhelm. Ohne Vorwarnung wird das Feuer eröffnet. 15 Schüsse durchlöchern die Scheiben des Wagens. Buback und Göbel starben noch am Tatort, Wuster erliegt wenige Tage später seinen Verletzungen.

Wer die Täter waren, hat sich nie klären lassen. Die RAF bekannte sich im Kollektiv, unterzeichnet wurde als "Kommando Ulrike Meinhof". Im deutsche Strafrecht können nur Einzelpersonen für einen Mord zur Verantwortung gezogen werden. Im Buback-Prozess gegen Verena Becker setzte es noch einmal alles daran, herauszufinden, wer die tödlichen Schüsse abgab.

Die führenden Köpfe alle hielten dicht

Dass auch Becker mit dahinter steckte, daran gab es nie ernsthafte Zweifel. Auf dem Bekennerschreiben waren ihre Fingerabdrücke. In ihrem Gepäck fanden Ermittler die Tatwaffe. Doch ob sie auch die Schüsse abgab, blieb und bleibt ungeklärt. Verurteilt wurden wegen der Ermordung bereits in den 80er Jahren Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt. Wegen Beteiligung, wie Becker.

Dass sich kein Täter identifizieren ließ, liegt auch daran dass die Mitglieder der RAF, die die Hintergründe kannten, dicht hielten. Bis auf Peter-Jürgen Boock, der Ermittlern als "Märchenonkel" gilt, hüllten sich Christian Klar und Co. in Schweigen. Kein Wort der Aufklärung, keine Aussage über Tatbeteiligungen, keine öffentlich geäußerte Reue.

Bewegung kommt in die Sache erst, als Michael Buback, Sohn des ermordeten Bundesanwalts, neue Vorwürfe erhebt. Er beruft sich auf einen Informanten, als er Vorwürfe gegen Verena Becker erhebt. Augenzeugen sollen gesehen haben, dass eine zierlich gebaute Person auf dem Motorrad saß. Verena Becker, zuvor bereits wegen anderer Terror-Verbrechen verurteilt und 1989 begnadigt, geriet erneut ins Visier der Ermittler. Im September 2009 wurde sie abermals festgenommen.

Tat "mitbestimmt"

Nun, fast drei Jahre später das Urteil. Becker wird wegen Beteiligung verurteilt. Sie habe sich vehement für eine baldige Ausführung des Attentats eingesetzt und dieses "mitbestimmt", urteilte das Oberlandesgericht Stuttgart. Becker habe aber "weder eine Mitwirkung an der Tat noch an der Tatvorbereitung nachgewiesen werden können". Die Richter verhängten eine vierjährige Haftstrafe gegen sie. Zweieinhalb gelten wegen eines früheren Haftaufenthalts bereits als verbüßt.

Der Strafsenat blieb damit ein halbes Jahr unter der Strafmaßforderung der Bundesanwaltschaft, die für Becker eine Strafe von viereinhalb Jahren beantragt hatte. Von ihrem ursprünglichen Anklagevorwurf der Mittäterschaft war sie bereits abgerückt. Becker hatte vor Gericht eine Beteiligung an dem Attentat bestritten. Sie habe sich zu dem Zeitpunkt im Ausland aufgehalten. Die Verteidiger plädierten auf Freispruch.

In einer Vorbemerkung vor der Urteilsbegründung wies Wieland die zuvor vom Nebenkläger und Sohn des Opfers, Michael Buback, geäußerte Kritik an der Verhandlungsführung des Gerichts zurück. Buback, der von der Täterschaft Beckers überzeugt ist, habe "die Realität mit Wunschvorstellungen vermischt", sagte der Richter. Auch habe Michael Buback "wesentliche Umstände ausgeblendet", die gegen eine unmittelbare Tatbeteiligung sprechen.

Becker und der Verfassungsschutz

Nebenkläger Michael Buback vertrat er in dem Prozess die These, dass der Verfassungsschutz eine "schützende Hand" über die frühere Terroristin gehalten habe. Ob und wie intensive Becker zeitweise intensiv mit dem Geheimdienst zusammenarbeitete, wird in Fachkreisen seit Jahren rege diskutiert.

So geht zum Beispiel der RAF-Forscher Wolfgang Kraushaar geht davon aus, dass der Verfassungsschutz durchaus Einfluss auf die linksradikale Zellen genommen hat. Unter anderem äußerte er Zweifel daran, ob es im Becker-Prozess auch unvoreingenommen zugegangen sei.

Mit dem Urteil ging der mehr als eineinhalb Jahre dauernde Mammutprozess zu Ende. Seit September 2010 wurde an fast 100 Sitzungstagen gegen die ehemalige Terroristin verhandelt. Es wurden 165 Zeugen vernommen.

mit Material von dapd und AFP

(pst)
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