Berlin Zu arm für den Ruhestand

Berlin · Weil von ihrer Rente nichts übrig bleibt, schuften sie weiter: ZDF-Doku zeigt drei Fälle von Altersarmut.

Eine beschauliche alte Mühle zwischen grünen Wiesen im nördlichen Niedersachsen. Auf einer Leiter steht Hans-Jürgen Baciulis. Der 68-jährige Rentner schrubbt das Dach. Er braucht das Geld, denn angesichts seiner 800 Euro Rente muss der ehemalige Steuerfachgehilfe sich etwas dazuverdienen. Baciulis ist einer von drei Fällen, die die ZDF-Reportage "Schuften bis zum Schluss" begleitet hat. Die Ruheständler können von ihrer schmalen Rente nicht leben. "Ich kann es mir gar nicht leisten, krank zu werden", sagt Baciulis. "Dann geht man vor die Hunde. Das mag ich gar nicht zu Ende denken."

Seine Altersbezüge fallen so karg aus, weil Baciulis an seine Ex-Frau einen Versorgungsausgleich zu entrichten hat. Seine Tochter studiert in Lüneburg, an sie überweist er monatlich 250 Euro. Dass es ihrem Vater finanziell miserabel geht, davon wisse sie nichts, meint Baciulis.

Seit 2003 hat sich die Zahl der Rentner, die vom Amt zusätzliche "Grundsicherung" beziehen müssen, verdoppelt, heißt es in der Reportage. Doch die erhält nur derjenige, der in angemessenen Wohnverhältnissen lebt. Heidi Steenbock gehört nicht dazu: Die Berlinerin zahlt für ihre anderthalb Zimmer im Stadtteil Schöneberg 557 Euro - zu viel, um die Grundsicherung zu beanspruchen. "Ich möchte aus meinem sozialen Umfeld nicht weg", sagt die 66-Jährige. Nach Abzug der Fixkosten bleiben der gelernten Bäckereifachverkäuferin 170 Euro. Also fährt sie in aller Früh nach Weißensee, um in einer Bäckerei Brötchen zu schmieren und an der Computerkasse zu stehen, mit der sie ihre Probleme hat. "Man wird langsamer, älter, die Konzentration ist nicht mehr so da."

Wolfgang Hergt (65) lebt in Leipzig. Der Maschinenbauingenieur war vor der Wende in einer Gießerei Chef von mehr als 40 Mitarbeitern, nach 1989 wurde die Firma abgewickelt. Hergt machte sich selbstständig. In die Rente zahlt er nicht ein, versicherte sich privat. Dann die Rückschläge: Die Pflege der Mutter wurde ein finanzieller Kraftakt, zwei Mal verletzte er sich schwer, wurde depressiv. Heute steht Hergt auf Plätzen als Energieberater und betreibt "Kalt-Akquise". Seine Lebensmittel bekommt er von der Tafel.

"Schuften bis zum Schluss", ZDF, 22.15 Uhr

(dpa)
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