Elf Jahre nach Abtreibungsprozess Memminger Frauenarzt scheitert vor Bundesverfasungsgericht

Karlsruhe (dpa). Rund elf Jahre nach dem Abtreibungsprozess von Memmingen ist der Frauenarzt Horst Theissen mit einer Verfassungsbeschwerde gegen seine strafrechtliche Verurteilung gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nahm in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss seine Beschwerde nicht zur Entscheidung an. Theissen war 1989 vom Memminger Landgericht wegen illegaler Schwangerschaftsabbrüche in 36 Fällen zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Verfahren gilt als größter Abtreibungsprozess der deutschen Justizgeschichte.

In der Revision hatte der Bundesgerichtshof (BGH) ihn teils freigesprochen und die Sache an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen. Das Augsburger Gericht hatte Theissen 1994 zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig, weil der Memminger Arzt auf Rechtsmittel verzichtete.

Gegen alle drei Urteile erhob der Mediziner Verfassungsbeschwerde. Er beanstandete unter anderem die Verwertung der 1986 in seiner Praxis beschlagnahmten Patientinnenkartei. Auch rügte er, dass der BGH seine Revisionsbegründung nicht vollständig geprüft habe.

Für die Verfassungsrichter war es nicht ersichtlich, warum der Arzt durch die Verwertung von Patientinnendaten in seiner Berufsfreiheit verletzt wurde. Der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient sei nicht darauf gerichtet, den Arzt vor strafrechtlicher Verurteilung zu schützen.

Der Prozess gegen den Frauenarzt Theissen war nach Meinung der Direktorin des kriminologischen Instituts der Universität Kiel, Prof. Monika Frommel, "die Initialzündung für die Diskussion um die Fristenlösung". Aus ihrer Sicht hat das Memminger Verfahren die Weichen für das mittlerweile liberalisierte Abtreibungsrecht gestellt. (Aktenzeichen: 2 BvR 291/92 - Beschluss vom 22. Mai 2000)

(RPO Archiv)
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