Goslar NRW für 1,1-Promille-Grenze für Radler

Goslar · 1,6 Promille Alkohol dürfen Fahrradfahrer im Blut haben, solange sie nicht den Verkehr gefährden. Zu hoch, meinen Kritiker. Nun beschäftigt das Thema Verkehrsexperten und Politiker.

Die Herabsetzung der Promille-Grenze für Radfahrer ist ein hitzig diskutiertes Thema auf dem Deutschen Verkehrsgerichtstag. Nach Ansicht des Präsidenten des Verkehrsgerichtstages, Kay Nehm, hat die Herabsetzung der Promille-Grenze jedoch nur wenig Chancen. Die Daten- und Forschungsbasis für eine Reduzierung des derzeitigen Grenzwertes von 1,6 Promille sei unzureichend, sagte Nehm gestern bei der Auftaktpressekonferenz. Zuvor hatten Verkehrsorganisationen gefordert, die Grenze auf 1,1 Promille zu senken. Derzeit gehen Radfahrer straffrei aus, wenn sie weniger als 1,6 Promille Alkohol im Blut haben und den Verkehr nicht gefährden.

Radfahrer seien vor allem eine Gefahr für sich selbst, sagte der frühere Generalbundesanwalt Nehm. Und Selbstgefährdung sei kein Straftatbestand. Es bleibe wohl nur der Appell an die Radler, nicht betrunken zu fahren. Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sieht für den Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf. "Schon heute machen sich alle Fahrradfahrer strafbar, die Alkohol getrunken haben und nicht mehr in der Lage sind, sich sicher im Straßenverkehr zu bewegen", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Doch es gibt Gegenstimmen: NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) etwa sprach sich für eine neue Grenze aus. "Sturzbetrunkene Radfahrer bringen auch immer wieder unbeteiligte Verkehrsteilnehmer in gefährliche, mitunter auch tödliche Situationen", warnte Minister Groschek. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wies darauf hin, dass Alkohol eine der Hauptursachen für Unfälle sei - und zwar nicht nur bei Autofahrern. "Das Risiko für schwere Verletzungen im Gesicht und am Kopf ist bei alkoholisierten Radfahrern dreifach erhöht", warnte der GdP-Vizevorsitzende Arnold Plickert.

Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), hat die Ablehnung niedrigerer Promillegrenzen als grundfalsch kritisiert. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er: "Die bisherige Höchstgrenze ist fast 30 Jahre alt und nicht mehr haltbar." Wendt zeigte sich optimistisch, dass sich der Gesetzgeber zu einer Senkung entschließe: "Wir werden auf dem Verkehrsgerichtstag aller Wahrscheinlichkeit nach eine entsprechende Empfehlung abgeben." Die Empfehlungen der Fachleute sind zwar nicht bindend, häufig aber wegweisend für die Politik. Zum 53. Mal findet die Veranstaltung in Goslar (Niedersachsen) statt. In diesem Jahr werden etwa 2000 Experten erwartet.

Dem neben der Promille-Grenze ebenfalls diskutierten Vorschlag, zur Reduzierung des Unfallrisikos auf Landstraßen die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h zu senken, erteilte Wendt eine Absage: "Das ist eine kostengünstige Idee. Doch was bringt sie, wenn niemand kontrolliert?", fragte er.

(RP)
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