Zwei Minister entlassen Israel steht vor Neuwahlen

Jerusalem · Israel steht vor Neuwahlen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu enthob im Streit mit seinen Koalitionspartnern am Dienstag Finanzminister Jair Lapid und Justizministerin Zipi Livni ihrer Ämter, wie das Büro des Regierungschefs mitteilte. Noch am Dienstagabend will sich Netanjahu in einer Fernsehansprache an die Nation wenden, womöglich um die Neuwahl anzukündigen.

 Israels Ministerpräsident: Benjamin Netanjahu will so schnell wie möglich Neuwahlen.

Israels Ministerpräsident: Benjamin Netanjahu will so schnell wie möglich Neuwahlen.

Foto: dpa

Lapid, der Vorsitzende der Koalitionspartei Jesch Atid, und Livni von der Hatnua-Bewegung hatten den Regierungschef und dessen Likud zuletzt wegen einiger umstrittener Vorhaben heftig kritisiert. Ein Krisentreffen zwischen Lapid und Netanjahu war am Montagabend ergebnislos zu Ende gegangen. Eine Neuwahl würde israelischen Medienberichten zufolge wahrscheinlich im März stattfinden. Am Mittwoch stimmt das Parlament über eine Selbstauflösung nach, die den Weg zu Neuwahlen frei machen würde.

"Wir müssen so schnell wie möglich Neuwahlen abhalten und eine neue, stabile Regierung bilden", sagte Netanjahu am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Jerusalem. In der derzeitigen Situation und mit der aktuellen Regierung sei es unmöglich, Israel zu führen. Netanjahu warf den beiden entlassenen Ministern auch vor, einen Putsch gegen ihn organisiert zu haben.

Lapid und Livni streiten mit Netanjahu seit Wochen unter anderem über eine Erhöhung des Etats für das Verteidigungsministerium. Zudem hatten sie sich gegen einen Gesetzentwurf Netanjahus gestellt, nach dem Israel als jüdischer Nationalstaat definiert wird. Arabisch wird darin als offizielle Landessprache abgeschafft. Kritiker bemängeln, das Gesetz diskriminiere arabische Israelis.

Lapid sagte noch vor seiner Absetzung, Netanjahu habe entschieden, Israel in unnötige Neuwahlen zu schicken. Trotz des 50-Tage-Kriegs gegen die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas im Sommer sei das Problem eines hochgerüsteten Gazastreifens nicht gelöst, monierte er. Netanjahu habe es nicht geschafft, den Friedensprozess mit den Palästinensern voranzutreiben.

Dagegen machte der Vorsitzende von Netanjahus Likud-Partei, Danny Danon, die "amateurhaften Possen" von Jair Lapid dafür verantwortlich, Israel in unnötige und teure Neuwahlen zu zerren. Fehler der Vergangenheit dürften nach einem Sieg des Likud bei der Neuwahl nicht wiederholt werden. Die nächste Koalitionsregierung müsse aus loyalen und gleichgesinnten Parteien gebildet werden. Das würde bedeuten, dass es eine rechtsgerichtete Koalition geben würde, die die jüdische Siedlungspolitik und die jüdisch orientierte Gesetzgebung unterstütze, meinte er.

Wird Netanjahu bei den Wahlen wiedergewählt?

Nach jüngsten Meinungsumfragen wird seine rechtsorientierte Likud-Partei erneut stärkste Fraktion im Parlament werden. Dann würde der Präsident ihn wohl zum vierten Mal mit der Regierungsbildung beauftragen. Aber gerade im israelischen Wahlkampf sind Überraschungen immer möglich. Die Parteienlandschaft ist sehr zersplittert, es gibt keine großen führenden Parteien mehr. Sollten eine andere rechtsorientierte Partei oder die sozialdemokratische Arbeitspartei den Likud überrunden, wäre auch ein anderer Kandidat als Netanjahu denkbar.

Wer kann Netanjahu gefährlich werden?

Auch weitere rechte Kandidaten wie Avigdor Lieberman (Israel Beitenu)
und Naftali Bennett (Das Jüdische Haus) streben nach dem Amt des Ministerpräsidenten. An der Spitze eines starken Mitte-Links-Blocks könnte ihm aber durchaus auch Oppositionsführer Izchak Herzog (Arbeitspartei) gefährlich werden. Auch Jair Lapid von der Zukunftspartei hat in der Vergangenheit den Willen geäußert, Regierungschef zu werden.

Wird es vor den Neuwahlen neue Parteienblöcke geben?

Das Bündnis von Netanjahus Likud mit Liebermans ultrarechter Israel Beitenu ist im Sommer zerbrochen. Netanjahu strebt jetzt eigentlich danach, den Likud wieder zu einer starken Regierungspartei zu machen, die auch alleine stehen kann. Ein neues Bündnis - etwa mit der Siedlerpartei von Bennett - gilt dennoch nicht als ausgeschlossen.
Auch im linken Spektrum laufen Bemühungen, einen Block mit der politischen Mitte unter Führung von Oppositionsführer Izchak Herzog zu bilden.

Wie wirkt sich die Ungewissheit in Israels Innenpolitik auf die Bemühungen um eine Wiederbelebung des Versöhnungsprozesses mit den Palästinensern aus?

Vor dem Zusammenbruch der israelischen Regierungskoalition wurde damit gerechnet, dass US-Außenminister John Kerry einen weiteren Versuch zu neuen Friedensgesprächen unternimmt. Weil nun aber unklar ist, wie die neue israelische Führung aussehen wird, ist in dem Bereich mit Verzögerungen zu rechnen. Die Palästinenserführung hat bereits klargemacht, dass sie trotz der Neuwahlen in Israel weiter nach einer internationalen Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaates streben will.

(ap/dpa/AFP)
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