Radio-Interview Boris Nemzows letzte Kampfansage an Putin

Moskau · Der Tod des Putin-Kritikers Boris Nemzow löst viele Fragen aus. War der Mord geplant? Nur drei Stunden vor seiner Ermordnung, hatte Nemzow ein Radio-Interview gegeben – mit vielen Vorschlägen, die sich sämtlich gegen Putin richteten.

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Der Tod des Putin-Kritikers Boris Nemzow löst viele Fragen aus. War der Mord geplant? Nur drei Stunden vor seiner Ermordnung, hatte Nemzow ein Radio-Interview gegeben — mit vielen Vorschlägen, die sich sämtlich gegen Putin richteten.

45 Minuten lang entwarf der prominente Oppositionelle in einem Interview mit dem Moskauer Sender Echo Vorschläge, "um Russland zu verändern". Mehrfach schnitt er den Journalisten das Wort ab, um seine Sicht der Dinge ausbreiten zu können - als hätte er geahnt, dass seine Zeit abläuft. Das Interview, dass nur knapp vor seinem Tod ausgestrahlt wurde, sollte sein politisches Testament werden.

Anlass für das Interview war der Anti-Krisen-Marsch, zu dem der 55-jährige frühere Vize-Regierungschef zusammen mit oppositionellen Weggefährten für Sonntag aufgerufen hatte. "Dieser Marsch fordert den sofortigen Stopp des Krieges mit der Ukraine, er fordert, dass Putin seine Aggression einstellt", sagte Nemzow in das Mikrofon des Radiosenders.

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Putins Vorgehen im Konflikt mit dem Nachbarland sei auch für die schwere Wirtschaftskrise in Russland verantwortlich. "Die Sanktionen, dann die Kapitalflucht: all dass wegen Putins unsinniger Aggression gegen die Ukraine." In dem Interview wiederholte Nemzow auch den Vorwurf, Moskau unterstütze die prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit eigenen Truppen, was der Kreml stets zurückgewiesen hat.

Eine Journalistin erwähnte auch die Krim und sagte, dass eine Mehrheit der Bewohner gewollt habe, dass die Schwarzmeer-Halbinsel in die russische Föderation eintrete. "Die Bevölkerung wollte in Russland leben, zugegeben", erwiderte Nemzow. "Aber die Frage ist eine andere: Man darf sich nicht nach dem Willen richten, sondern nach dem Gesetz. Und man muss die internationale Gemeinschaft respektieren."

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Foto: dpa, ukit ks

Korrupte Politiker vor Gericht stellen, das Militärbudget halbieren, das Bildungsbudget aufstocken: Der einstige Gouverneur und Architekt der liberalen Wirtschaftsreformen der 90er Jahre machte in dem Interview zahlreiche Vorschläge, um Russland zu modernisieren.

Zugleich zeigte er sich wenig optimistisch, dass er Gehör finden würde: "Die Opposition hat zur Zeit nicht viel Einfluss auf die Russen." Auch dagegen hatte er indes ein Rezept parat. Ihren Wortführern müsse jede Woche in einem der Hauptfernsehsender eine Stunde Zeit eingeräumt werden. "Denn wenn man die Macht in den Händen eines einzigen Menschen konzentriert, dann kann das nur zur Katastrophe führen - zu einer totalen Katastrophe."

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Foto: afp, YK/AMD

Durch das Attentat auf Nemzow hat das Lager derjenigen, die ihre Stimme noch gegen Putin erheben, einen ihrer wichtigsten Vertreter verloren. Der Anti-Krisen-Protestmarsch, der am Sonntag durch einen Moskauer Vorort ziehen sollte, wurde als Reaktion auf die tödlichen Schüsse abgesagt. Statt dessen sollen die Moskauer nun am 1. Mai zu einem Gedenkmarsch für Nemzow ins Stadtzentrum kommen.

(AFP)
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