Malaysia-Airlines-Maschine Warum ein Abschuss aus Versehen unwahrscheinlich ist

Düsseldorf/Kiew · Wer ist für den Absturz der Maschine in der Ukraine verantwortlich? Für einen Abschuss aus großer Höhe braucht es ausgebildete Experten.

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Schon seit Monaten tobt der Krieg in der Ukraine auch in der Luft. Mehrfach waren es Attacken der Rebellen gegen ukrainische Flugzeuge, die den Konflikt ein weiteres Stück eskalieren ließen.

Zum ersten Mal geschah das Anfang Mai, als Milizen bei Slawjansk zwei Kampfhubschrauber abschossen. Ende des Monats wurde dort ein Transporthubschrauber getroffen; 14 Soldaten starben. Der schwerste Schlag gegen die Regierungstruppen gelang den Aufständischen Mitte Juni, als sie nachts eine Iljuschin-Transportmaschine unter Feuer nahmen, die sich gerade im Anflug auf die Großstadt Lugansk befand. Damals trafen nach Angaben der ukrainischen Regierung Geschosse aus einer Fliegerfaust des Typs "Igla" ("Nadel") die in 700 Meter Höhe fliegende Maschine; alle 49 Insassen starben.

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Der Absturz der malaysischen Maschine fällt nun in eine Zeit, in der auch die Beziehungen zwischen Kiew und Moskau wegen der andauernden Luftzwischenfälle schwer belastet sind. Am Montag war eine zweimotorige ukrainische Antonow-Transportmaschine über Lugansk abgeschossen worden. Dabei soll es zwei Tote gegeben haben. Die ukrainische Regierung teilte danach mit, "wahrscheinlich" sei das Flugzeug von russischem Gebiet aus unter Feuer genommen worden. Die Maschine sei in einer Höhe von mindestens 6500 Metern geflogen - unerreichbar für die Separatisten. Am Donnerstag dann beschuldigte Kiew die Russen, ein Kampfflugzeug in der Luft angegriffen und abgeschossen zu haben.

Hochausgebildetes Team nötig

Der mutmaßliche Abschuss des malaysischen Verkehrsflugzeugs, das sich wahrscheinlich sogar in der bei solchen Langstreckenflügen üblichen Höhe von zehn bis 15 Kilometern befand, kann nur durch ein Mittelstrecken-Flugabwehrraketen-System ähnlich der amerikanischen "Patriot" erfolgt sein, dessen Bedienung nur ein über längere Zeit ausgebildetes und hochspezialisiertes Team übernehmen kann.

Im Verdacht steht das auf ein Panzerfahrgestell montierte russische System BUK, dessen Raketen mit dreifacher Schallgeschwindigkeit Ziele in bis zu 25 Kilometer Entfernung treffen können. Dieses noch in Zeiten des Warschauer Paktes entwickelte und 1980 eingeführte System mit Radar, Leitstelle und Abschussgestell ist bei den russischen und ukrainischen Streitkräften mit Dutzenden Exemplaren im Einsatz. Wenn es feuerbereit gemacht worden ist, beträgt die Reaktionszeit von der Zielerfassung bis zum Abfeuern der Rakete nur 22 Sekunden.

Prorussische Separatisten könnten dieses oder ein ähnliches System wegen seiner Komplexität nicht bedienen, selbst wenn sie es von den ukrainischen Streitkräften einsatzbereit erbeutet hätten. Die Rebellen erzielten ihre Abschüsse ukrainischer Militärflugzeuge und Hubschrauber mutmaßlich mit Schnellfeuerkanonen, Panzerfäusten oder tragbaren Flugabwehrwaffen russischer Produktion wie der "Igla" oder der "Strela", die der amerikanischen "Stinger" ähnlich sind.

Abgefeuert werden deren Flugkörper von der Schulter aus durch ein etwa zwei Meter langes Abschussrohr. Die Reichweite solcher Waffen, die in den 80er Jahren afghanische Widerstandskämpfer sehr erfolgreich gegen sowjetische Kampfhubschrauber eingesetzt hatten, beträgt maximal acht Kilometer. Höher als 5000 Meter reichen sie nicht. Der Infrarot-Suchkopf der "Igla" oder der "Strela" steuert die heißen Triebwerke des Luftfahrzeugs an, während die BUK-Rakete radargesteuert wird.

Experten schließen aus, dass der Abschuss aus Versehen erfolgte. Die Flugparameter einer großen Zivilmaschine wie der Boeing 777 sind gänzlich andere als die eines Kampfjets, der im Zweifelsfall auch deutlich tiefer und schneller fliegt. Zudem ist den Streitkräften beider Länder mit Sicherheit bekannt gewesen, dass eine viel frequentierte internationale Flugroute über die Ukraine und Russland führt.

Ein Fehlschuss ist unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen

Ein irrtümlicher Abschuss durch einen Abfangjäger ist aus diesen Gründen ebenfalls sehr unwahrscheinlich. Zwar muss ein solcher Jet nicht unbedingt Sichtkontakt zu seinem Ziel gehabt haben. Er wird aber in der Regel vom Boden aus über Funk durch einen Jägerleitoffizier geführt, der unter anderem durch Radargeräte ein klares Lagebild hat. Zudem hat jedes Passierflugzeug eine elektronische Kennung, die es als zivile Maschine ausweist. In der Nato ist es Vorschrift, dass die in Bereitschaft stehenden Abfangjäger grundsätzlich eine Sicht-Identifizierung durchführen müssen, wenn ein unbekanntes Flugzeug in den eigenen Luftraum eindringt.

Unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich auszuschließen ist dagegen ein Raketen-Fehlschuss, der ein anderes Flugzeug treffen sollte, zum Beispiel einen ukrainischen oder russischen Militärjet.

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(RP)
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