Schwere Straßenschlachten in Kiew Regierung stellt Demonstranten Ultimatum

Kiew · Einen Tag nach Inkrafttreten einer Amnestie für festgenommene Demonstranten haben sich in der ukrainischen Hauptstadt Kiew Regierungsgegner und Sicherheitskräfte wieder gewaltsame Auseinandersetzungen geliefert. Laut Oppositionsangaben sind drei Demonstranten ums Leben gekommen. Die Regierung hat den Gegnern ein Ultimatum gestellt.

Eskalation in der Ukraine: Brutale Straßenschlachten in Kiew
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Nach den schweren Ausschreitungen in der Hauptstadt Kiew hat die ukrainische Regierung den Protestteilnehmern ein Ultimatum gestellt. Die Regierungsgegner hätten zwei Stunden Zeit, um ihre gewaltsamen Proteste zu beenden, erklärten das ukrainische Innenministerium und der Staatsschutz am Dienstagnachmittag. Sollte die Gewalt andauern, würden die Sicherheitskräfte ab 18 Uhr (Ortszeit, 17 Uhr MEZ) zu "schwerwiegenden" Maßnahmen greifen, um die öffentliche Ordnung zu sichern.

"Wir warnen die Hitzköpfe in den Reihen der Opposition: Die Regierung hat die Mittel, um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen", hieß es in der Erklärung. "Wir sind gezwungen, zu schwerwiegenden Maßnahmen zu greifen, wenn die Gewalt nicht bis 18. Uhr endet."

Bei den neuen schweren Straßenschlachten in Kiew sind nach offiziellen Angaben mindestens 37 Sicherheitskräfte verletzt worden. Die Regierungsgegner hätten scharfe Munition eingesetzt und fünf Beamte angeschossen, teilte das Innenministerium am Dienstag mit. Ein regierungsnaher Fernsehsender zeigte Bilder von einem Demonstranten mit einer Pistole. Protestierer warfen Steine und Brandsätze auf die Sicherheitskräfte, die Tränengas und Gummigeschosse einsetzten. Einem Protestierer wurde angeblich ein Arm abgerissen.

Ärzte der Oppositionskräfte sprechen von drei Toten auf Seiten der Demonstranten. Diese Zahl wurde noch nicht offiziell bestätigt. Die prominente Ärztin und Regierungskritikerin Olga Bogomolez sagte der Internetzeitung "Ukrainskaja Prwada", drei Tote seien in ein provisorisches Lazarett gebracht worden. Dutzende Menschen seien schwer verletzt. Über Twitter schickten die Aktivisten des sogenannten Euromaidan ein Foto mutmaßlich Getöteter. Darauf sind zwei Menschen zu sehen, die mit Papier bedeckt sind.

Unterdessen wurde die Zentrale der Partei von Präsident Viktor Janukowitsch mit Molotowcocktails angegriffen. Dies berichteten AFP-Korrespondenten. Bei der Erstürmung eines Büros der regierenden Partei der Regionen in Kiew ist nach Angaben der Rettungskräfte mindestens ein Mann getötet worden. Die Partei teilte Medien zufolge mit, bei dem Opfer handele es sich um einen Sicherheitsmann. Der Abgeordnete Oleg Zarjow sprach sogar von zwei Toten. Die ukrainische Feuerwehr brachte zudem 15 Menschen in Sicherheit, die sich auf das Dach des Gebäudes in der Innenstadt geflüchtet hatten.

Angesichts der dramatischen Situation in der Ukraine will sich Präsident Viktor Janukowitsch an diesem Mittwoch erneut mit Oppositionsführern treffen. Das Gespräch, an dem auch Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko teilnehmen soll, sei gegen 11 Uhr Ortszeit (10 Uhr MEZ) geplant, sagte Parlamentspräsident Wladimir Rybak am Dienstag. Bedingung sei aber, dass die Regierungsgegner jede Gewalt einstellten, betonte Rybak. Nach Aussage seiner Vertrauten Anna German traf sich Janukowitsch auch am Dienstag mit den Oppositionsvertretern. Nähere Angaben machte die Parlamentarierin aber zunächst nicht.

U-Bahn geschlossen

Wegen der blutigen Straßenschlachten haben die Behörden unterdessen die U-Bahn der ukrainischen Hauptstadt komplett geschlossen. Das teilte die Metroverwaltung der Agentur Interfax am Dienstag mit.

Kurz zuvor war es bereits vor dem Parlament in der Hauptstadt Kiew zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe Demonstranten und der Bereitschaftspolizei gekommen. Im Parlament sollten am Dienstag Beratungen über eine Verfassungsreform beginnen, die eine Begrenzung der Macht des Präsidenten zum Ziel hat.

Eine Gruppe von Demonstranten schleuderte Pflastersteine auf Beamte, die Bereitschaftspolizei setzte Gummigeschosse und Blendgranaten ein, wie AFP-Korrespondenten beobachteten. Insgesamt marschierten rund 20.000 überwiegend friedliche Demonstranten vom Kiewer Unabhängigkeitsplatz in Richtung Parlament.

Die Ukraine wird seit Ende November von massiven Protesten der proeuropäischen Opposition erschüttert. Auslöser war die Entscheidung von Präsident Viktor Janukowitsch, die Unterzeichnung eines über Jahre ausgehandelten Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit der EU abzusagen. Die Opposition fordert den Rücktritt Janukowitschs, die Änderung der Verfassung und Neuwahlen.

Erst am Sonntag hatten Demonstranten das Rathaus von Kiew geräumt und damit teilweise Bedingungen der Regierung erfüllt, damit am Montag die Amnestie für festgenommene Regierungsgegner in Kraft treten konnte. Auch in der westlichen Stadt Lemberg (Lwiw) wurde das Rathaus geräumt. Allerdings halten in Kiew Demonstranten weiter den zentralen Unabhängigkeitsplatz sowie mehrere öffentliche Gebäude besetzt.

(AFP)
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