Düsseldorf Austrittswelle bei evangelischer Kirche
Düsseldorf · Grund für die massive Abwanderung ist offenbar das neue Steuerrecht.
Wegen einer Änderung im Steuerrecht kehren offenbar immer mehr evangelische Christen ihrer Kirche den Rücken. Die Zahl der Austritte ist in den vergangenen Monaten teils um mehr als 50 Prozent gestiegen. Aus der bayerischen Landeskirche traten von Januar bis Juni 52,6 Prozent mehr Menschen aus als im Vorjahreszeitraum. In Württemberg lag die Steigerung im ersten Quartal bei 57,1 Prozent. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg berichtete von 10 010 Austritten im ersten Halbjahr - mehr als in den Gesamtjahren 2011 und 2012. In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau stieg die Zahl um ein Drittel. Aus der rheinischen Kirche liegen für 2014 keine aktuellen Zahlen vor.
Kirchensteuern auf Zinsgewinne werden von 2015 an automatisch von den Banken an die Finanzämter weitergeleitet. Das neue Verfahren soll den Aufwand für die Steuerpflichtigen mindern. Bisher mussten sie ihre Kapitalerträge bei der Einkommensteuererklärung angeben. Es handelt sich weder um eine neue Steuer noch um eine Steuererhöhung. Nach übereinstimmenden Einschätzungen aus den Landeskirchen gilt die bevorstehende Änderung als Hauptgrund für die Austrittswelle. Der Finanzchef der rheinischen Landeskirche, Bernd Baucks, hatte Banken vorgeworfen, Kunden in einzelnen Fällen zum Kirchenaustritt geraten zu haben.
Selbstkritisch zeigte sich die Evangelische Kirche in Deutschland. Es sei nicht deutlich geworden, dass es nicht um eine neue Kirchensteuer gehe, sagte der Leiter der Finanzabteilung, Thomas Begrich. Die kirchlichen Kommunikationsstrukturen hätten die Menschen "nicht deutlich genug erreicht". Anlass für die Umstellung sei nicht "die Erwartung etwaiger Mehreinnahmen" gewesen, sondern der Wunsch nach einem gerechten Verfahren.
Auch die katholische Kirche ist offenbar von dem Trend betroffen. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart traten nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von Januar bis Juni rund 10 000 Menschen aus der Kirche aus. Im gesamten Jahr 2013 waren es 14 617.
