Widerspruchsrecht BGH macht Kunden von Versicherungen Hoffnung

Karlsruhe · Tausende Versicherungsnehmer, die bei Lebens- oder Rentenversicherungen nicht ausreichend über ihr Widerspruchsrecht aufgeklärt wurden, können voraussichtlich auch noch nach Jahren die Rückabwicklung ihrer Verträge verlangen. Das deutete der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch in der mündlichen Verhandlung an.

Betroffen sind zwischen 1994 und 2007 abgeschlossene Verträge. Das Urteil, das nach Einschätzung von Anwälten und Verbraucherschützern Signalwirkung für Tausende anhängige Fälle hat, soll am Nachmittag verkündet werden. Das Gericht machte klar, dass es sich an ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Dezember 2013 gebunden fühle.

Der EuGH in Luxemburg hatte eine deutsche Gesetzesvorschrift gekippt. Danach konnten die Kunden ein Jahr nach der Zahlung der ersten Versicherungsprämie nicht mehr vom Vertrag zurückzutreten - selbst dann, wenn sie nicht über ihr Recht zum Rücktritt oder Widerspruch aufgeklärt worden waren. Laut EuGH ist eine solche Beschränkung nicht mit EU-Recht zu vereinbaren.

"Dafür spricht einiges", sagte die Vorsitzende Richterin des vierten BGH-Zivilsenats, Barbara Mayen, in ihrer "vorläufigen Einschätzung". Der BGH hatte den EuGH angerufen. Er will auch entscheiden, welche Beiträge der Kunde bei einer Rückabwicklung zurückbekommt. Mayen sagte, dabei sei auch zu berücksichtigen, dass er "Versicherungsschutz genossen" habe.

Und der Versicherte muss nachweisen können, dass er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden war. In dem vor dem BGH behandelten Fall hatte ein Kunde seinen Rentenversicherungsvertrag 2007 rückabwickeln wollen, zehn Jahre nach dessen Abschluss. Doch die Allianz Leben zahlte ihm nur den Rückkaufswert, der bei einer vorzeitigen Kündigung fällig wird. Der Kläger will aber alle Beiträge zurückerstattet haben, weil die Allianz versäumt habe, ihn ausreichend über sein Rücktrittsrecht zu informieren.

In zwei Gerichtsinstanzen war er abgeblitzt. Sein Widerspruch komme zu spät, hatte das Oberlandesgericht Stuttgart befunden. Seit 2008 abgeschlossene Verträge sind von dem Urteil nicht mehr betroffen. Denn nur bis 2007 galt für den Abschluss von Lebensversicherungen das sogenannte Policenmodell: Dabei bekam der Kunde die Versicherungsbedingungen und weitere Informationen erst mit dem Vertragstext zugeschickt, also wenn er längst unterschrieben hatte.

Wenn er zurücktreten wollte, musste er innerhalb eines Monats aktiv werden. Auch wenn der Papierstapel gar nicht angekommen war, dürfte der Versicherer nach einem Jahr davon ausgehen, dass der Vertrag gültig war. Seit 2008 müssen die Kunden die Vertragsbestimmungen und die Geschäftsbedingungen vor ihrer Unterschrift ausgehändigt bekommen.

(REU)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort