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Unbequemer Horst Köhler Die Notbremse des Präsidenten

Berlin (RP). Horst Köhler muss Kritik aus der großen Koalition einstecken, weil er in kurzer Folge bereits zwei Gesetze gestoppt hat. Bald könnte das nächste folgen. Was den Bundespräsidenten von seinen Amtsvorgängern unterscheidet.

Die Regierung kann nicht behaupten, Horst Köhler hätte sie nicht gewarnt. "Offen will ich sein - und notfalls unbequem", hatte der Bundespräsident gleich zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt.

Unbequem ist Köhler in der Tat - und zwar vor allem für die große Koalition. Binnen weniger Wochen hat er nun schon zwei Gesetze gestoppt - ein drittes könnte bald folgen. Dem Gesetz zur Privatisierung der Flugsicherung verweigerte er ebenso die Unterschrift wie dem Verbraucher-Informationsgesetz, weil Köhlers Juristen beide Vorlagen für verfassungswidrig halten.

In 58 Jahren haben acht Präsidenten insgesamt sechs Gesetze gestoppt. Köhler hat in nur zwei Jahren nun schon zwei Gesetzen die Unterschrift verweigert. Wenn er so weitermacht, ist er auf Rekordkurs. Was hat sich gegenüber seinen Amtsvorgängern verändert?

Köhler hatte anders als alle anderen Präsidenten zuvor keine politischen Wahlämter inne und auch keine parteipolitische Karriere absolviert. Er war Spitzenbeamter und viele Jahre im internationalen Finanzwesen tätig - und damit weitgehend unabhängig vom deutschen Parteienwesen.

Manche hatten daher anfangs vermutet, Köhler werde ein eher unpolitischer Präsident sein. Doch das Gegenteil ist eingetreten. Kaum jemals hat ein Bundespräsident die verfassungspolitischen Kompetenzen des Amtes so weit ausgeschöpft wie Köhler. Besonders einschneidend war 2005 seine Entscheidung zur Auflösung des Bundestags, um vorgezogene Neuwahlen zu ermöglichen. Dazu musste Köhler die absichtsvoll verlorene Vertrauensfrage von Kanzler Gerhard Schröder akzeptieren. Das war zwar eine ziemliche Verbiegung der Verfassungsregeln, doch Köhler ließ sie geschehen, weil er die Republik vor einem Reformstau bewahren wollte, den er offenbar für den größeren Schaden hielt. Umso pingeliger achtet er jetzt auf die verfassungsrechtliche Korrektheit der Gesetze.

Zudem sieht Köhler wohl auch durch die große Koaliton und deren übergroße Mehrheit in Bundestag und Bundesrat eine gewachsene Verantwortung für sein Präsidialamt. Der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, findet es richtig, dass der Bundespräsident sein "Wächteramt besonders sorgfältig ausübt, weil aus dem Parlament heraus eine Normenkontrollklage faktisch ausgeschlossen ist". Denn dazu müsse ein Drittel der Abgeordneten die Klage unterschreiben, die Opposition habe im Bundestag aber nur ein Viertel der Stimmen, erläuterte Beck im Gespräch mit unserer Zeitung.

Wegen dieser Ohnmacht der Opposition kann die große Koalition in Versuchung geraten, nach der Methode zu regieren: Wo kein Kläger, da kein Richter. So ein Fall könnte die geplante Neuregelung der Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose sein. Das Gesetz wurde in letzter Minute durch einen Kuhhandel der 16 Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung verändert, wonach die Kommunen einiger Länder deutlich mehr Geld erhalten als alle anderen.

Weil der Bund eine dreistellige Millionensumme draufgesattelt hat und somit alle Länder mehr bekommen als vorher, würde wohl keiner der Beteiligten gegen diese verfassungsrechtlich fragwürdige Ungleichbehandlung klagen. Und die Bundestags-Opposition hat nicht genug Stimmen für eine Verfassungsklage. Umso schwerer wiegt die Verantwortung des Bundespräsidenten. Da könnte er womöglich zum dritten Mal die Gesetzes-Notbremse ziehen.

Wenn Union und SPD überzeugt seien, dass ihre von Köhler nicht unterschriebenen Gesetze verfassungsrechtlich einwandfrei seien, stehe ihnen der Weg zum Verfassungsgericht offen, sagte Grünen-Politiker Beck. Gewitzt forderte er die Koalition auf, die Sache doch bitte vor Gericht zu bringen: "Mögen sie doch in einer Organklage gegen den Bundespräsidenten klären lassen, ob ihre Gesetze tatsächlich verfassungskonform sind."

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