Diskussionsrunde mit Bundespräsident Steinmeier Mit Emotionen gegen Fake News

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat im Schloss Bellevue mit Journalisten, Bloggern und Wissenschaftlern über Macht von "Fake News" gesprochen. Steinmeier fordert dabei "Inseln der Verlässlichkeit".

 "Wenn es nur 90 Prozent wären, wäre ich beunruhigt": Frank-Walter Steinmeier.

"Wenn es nur 90 Prozent wären, wäre ich beunruhigt": Frank-Walter Steinmeier.

Foto: rtr, FAB/KLG

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat im Schloss Bellevue mit Journalisten, Bloggern und Wissenschaftlern über die Macht von "Fake News" gesprochen. Steinmeier fordert dabei "Inseln der Verlässlichkeit".

Wenn die Menschen in Parallelwelten abtauchen und als Fakten nur noch akzeptieren, was ihnen gefällt, ist es um die Zukunft der Demokratie schlecht bestellt, warnt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Dialogformat im Schloss Bellevue.

Auch im präsidialen Dialog passiert es den Akteuren an diesem Vormittag im Schloss Bellevue, dass sie prächtig aneinander vorbei reden. Kaum äußert sich Frank-Walter Steinmeier erschrocken über Empörungswellen auf seinem Facebook-Account, die er schon damit lostrete, wenn er einfach nur darüber informiere, was er gerade mache, da meldet sich Blogger Sascha Lobo — und gibt erst einmal pauschal allen Empörten Recht.

Die Menschen hätten nun einmal das Gefühl, dass alle, die an diesem Dialog-Forum teilnehmen "unter einer Decke" steckten. Und zum Beleg sagt Lobo, dass er wohl eine Zustimmung von 90 Prozent bekäme, wenn er frage, wer von den Anwesenden für die liberale Demokratie und pluralistische Medien sei. Daraufhin ist Steinmeier erst Recht irritiert: "Wenn es nur 90 Prozent wären, wäre ich beunruhigt."

Trump und die alternativen Fakten

Wie besorgt muss dann erst sein, wer die Praxis von US-Präsident Donald Trump betrachtet, alles als "Fake News", also falsche oder gefälschte Nachricht, zu bezeichnen, was ihm nicht gefällt, stattdessen glatte Lügen aber als "alternative Fakten" streuen zu lassen. Steinmeier ist es. "Nur auf der Basis von soliden, überprüfbaren und allgemein akzeptierten Fakten kann ein vernünftiger öffentlicher Diskurs gelingen", sagt er zur Eröffnung einer weiteren Folge seiner Dialog-Reihe, mit der er die Gefahren für die Demokratie markieren will. Seine bange Frage: "Wie sollen wir unterschiedliche Interessen friedlich zum Ausgleich bringen und Kompromisse aushandeln, wenn unsere Gesellschaft in unversöhnliche Gruppen zerfällt, die nur noch ihre jeweils eigenen gefühlten Wahrheiten gelten lassen?"

"Inseln der Verlässlichkeit"

Eindeutige Antworten gibt es auch von den eingeladenen Wissenschaftlern, Journalisten und Verbandsvertretern nicht. Ja, da gibt es die gute Nachricht, dass der Abwärtstrend bei der Glaubwürdigkeit der klassischen Medien gestoppt sei und sich umzukehren beginne. Und auch Steinmeier wirbt nachdrücklich für "Inseln der Verlässlichkeit" in einem Meer von Verdächtigungen und Verschwörungstheorien. Aber auch die diversen Hinweise, dass es Fake News immer schon gegeben habe und neu eigentlich nur ihre "epidemische Verbreitung" im Internet sei, ist nur ein schwacher Trost.

Der Präsident greift die aktuelle Debatte über Datenmissbrauch bei Facebook nur als Stichwort auf, um auf die Bedeutung der Debatte zu verweisen. Gleichzeitig markiert er klar die Wege: "Die großen Plattformen im Internet mit ihren hunderten Millionen von Nutzern machen es möglich, dass Falschinformationen und Verschwörungstheorien heute in Windeseile verbreitet und massenhaft geteilt werden."

Interessanter Fakt

Als die Forderung kommt, den Bürgern zu mehr Medienkompetenz zu verhelfen, damit sie besser zwischen seriösen und unseriösen Quellen zu unterscheiden lernen, sagt Ex-"Bild"-Chefin Tanit Koch mit Blick auf die Fehleinschätzungen der Medien in Sachen Trump-Wahlchancen, vielleicht sollten die Medien sich mehr Bürgerkompetenzen aneignen.

Desillusionierendes hält der Tübinger Wissenschaftler Michael Butter bereit: Mit Fakten könne man Verschwörungstheoretiker nicht erreichen. Die fühlten sich dann nur in ihrem Vorstellungssystem angegriffen. Vielversprechender seien Gegenerzählungen. Mit Emotionen Positionen verändern — dieser Befund ist am Ende dieser Debatte zumindest ein interessanter Fakt.

(may-)
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