Startschuss für die Gesundheitsreform Regierung öffnet die Büchse der Pandora

Düsseldorf (RP). Seit Beginn der schwarz-gelben Regierungszeit giften Union und FDP im Steuerstreit gegeneinander. Die Auseinandersetzung wird zum lauen Lüftchen im Vergleich zu dem Orkan, der jetzt auf die Koalition zu rollt: die Gesundheitsreform. An diesem Vormittag hat die Regierung eine achtköpfige Kommission einberufen. Zeitgleich erklärt ein CSU-Minister einen Kernbestandteil der Reform für beerdigt.

Das ist Philipp Rösler
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Düsseldorf (RP). Seit Beginn der schwarz-gelben Regierungszeit giften Union und FDP im Steuerstreit gegeneinander. Die Auseinandersetzung wird zum lauen Lüftchen im Vergleich zu dem Orkan, der jetzt auf die Koalition zu rollt: die Gesundheitsreform. An diesem Vormittag hat die Regierung eine achtköpfige Kommission einberufen. Zeitgleich erklärt ein CSU-Minister einen Kernbestandteil der Reform für beerdigt.

An diesem 24. Februar hat Schwarz-Gelb wie im Koalitionsvertrag vorgesehen eine Regierungskommission zur Gesundheitsreform aus der Taufe gehoben. Das erfuhr die Nachrichtenagentur DAPD aus Regierungskreisen. Das Gremium wird sich ausschließlich mit der Finanzierung der gesetzlichen Kassen befassen, und nicht mit anderen Fragen wie den Einsparungen im Arzneimittelbereich.

Der Kommission gehört mit acht Bundesminister quasi das halbe Kabinett an. Das sind neben Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) Wolfgang Schäuble (Finanzen, CDU), Ursula von der Leyen (Arbeit, CDU), Rainer Brüderle (Wirtschaft, FDP), Thomas de Maizière (Innen, CDU), Ilse Aigner (Verbraucherschutz, CSU), Kristina Schröder (Familie, CDU) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Justiz, FDP). Der Kreis wird voraussichtlich noch größer: Je nach Bedarf stoßen Vertreter der Länder, der Koalitionsfraktionen oder externe Experten hinzu.

Ein Minenfeld

Die Vielzahl an Personen weckt Zweifel daran, ob das Gremium überhaupt klare Entscheidungen treffen kann. In den vergangenen Jahren war insbesondere die Gesundheitspolitik immer ein Feld lauer Kompromisse. Der von Schwarz-Rot mühsam eingerichtete und nun schon wieder verworfene Gesundheitsfonds kann als perfektes Beispiel herhalten.

Die Gesundheitspolitik ist traditionell ein Minenfeld. Zahlreiche starke Lobbyverbände, widersprüchliche Interessen von Pharmaindustrie, Versicherten, Ärzten oder Kassen machen Kompromisse schwer. Die Konflikte spiegeln sich im Innenleben der Koalition ebenso wie in der jetzt eingesetzten Kommission wider. Zudem lehnt die breite Bevölkerung eine Kopfpauschale ab. Vier von fünf Deutschen sind dagegen.

Der Koalitionsvertrag gibt dem Gremium die wichtigsten Ziele vor. Sicher ist, dass der Arbeitgeberbeitrag von sieben Prozent der Kassenbeiträge eingefroren werden soll. "Weil wir eine weitgehende Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohnzusatzkosten wollen, bleibt der Arbeitgeberanteil fest", heißt es im Koalitionsvertrag. Kostensteigerungen übernimmt folglich der Versicherte allein.

Alles dreht sich um die Kopfpauschale

Wichtigste Neuerung der Reform aber ist die Kopfpauschale: Dabei würde die Putzfrau denselben Beitrag bezahlen müssen wie ein Spitzenmanager. Für Geringverdiener sehen Röslers Reformpläne einen Sozialausgleich vor. Geschätzte Gesamtkosten: zwischen 20 und 35 Milliarden Euro. Wann und in welcher Form die Kopfpauschale kommen soll, ist in der Koalition aber heftig umstritten.

Auf der einen Seite steht Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), der die Einheitsprämie schrittweise für alle Versicherten einführen will. Als Vorbild für Röslers Pläne werden in den Medien gerne die Niederlande angeführt: Dort zahlen Arbeitnehmer im Schnitt eine Pauschale von durchschnittlich 1050 Euro an ihre Kasse.

Zugleich hat Rösler aber deutlich gemacht, dass es ihm nicht unbedingt um eine sofortige Komplett-Umstellung von den bisherigen einkommensabhängigen Krankenkassenbeiträgen auf die Kopfpauschale geht. Er wolle mit der Reform niemanden überfordern. "Lieber kleine Schritte nach vorne als einen großen Schritt zurück", sagte Rösler kürzlich. Den Finanzbedarf für den Sozialausgleich beziffert er auf unter zehn Milliarden Euro.

Die Kosten

Auf der anderen Seite stehen Teile der CDU, vor allem aber die CSU. Sie stellt sogar das Ob der "Kopfpauschale" infrage. Angeblich lässt Rösler in seinem Ministerium prüfen, inwieweit sich gesetzliche Neuregelungen ohne Beteiligung des Bundesrats auf den Weg bringen lassen. In der Union halten viele das Modell einer Kopfpauschale wegen der für den Sozialausgleich benötigten Milliarden für zu teuer. Den Bedenken hat sich inzwischen auch

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angeschlossen. "Wenn man für irgendeine große Aufgabe einen zweistelligen Milliardenbetrag an Steuergeldern braucht, muss man sagen, wo er herkommen soll", sagte der Finanzminister.

Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder erklärte die Kopfpauschale noch am Tag des Starts der Kommission für beerdigt. "Bei einer sachlichen Debatte werden wir alle sehr schnell feststellen, dass eine Kopfpauschale kein deutschlandtaugliches Modell ist", sagte Söder der "Berliner Zeitung". Eine Pauschale sei nur eine "fixe Idee" und habe "keine Chance auf eine Realisierung".

Die Kommission ist nicht an einen Zeitplan gebunden. Mit Ergebnissen ist vor der NRW-Wahl definitiv nicht zu rechnen. Eine vollständige Umstellung noch in dieser Legislaturperiode gilt als so gut wie ausgeschlossen.

mit Agenturmaterial

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