Spitzenreiter im Politiker-Ranking Steinbrück ist der Liebling der Deutschen

(RP). Der Ex-Finanzminister Peer Steinbrück ist der beliebteste Politiker Deutschlands. Eine Vorentscheidung für die Kanzlerkandidatur bedeutet das allerdings noch nicht. Die politische Bilanz des SPD-Stars wird verklärt. Und seine Gegner sammeln eifrig Argumente gegen ihn.

 Folgt dem Hype um Steinbrück bald die Ernüchterung?

Folgt dem Hype um Steinbrück bald die Ernüchterung?

Foto: dapd, dapd

Er gilt als rechthaberisch und selbstverliebt. Er kann leidenschaftlich über Parteifreunde lästern und er ist ein scharfzüngiger Kritiker. Er stellt gerne seine Gesprächspartner als das da, was sie oft sind: ihm intellektuell unterlegen. Eine Wahl gewonnen hat er noch nie. Und seine Entscheidungen waren gelegentlich widersprüchlich.

Und doch: Peer Steinbrück ist der beliebteste deutsche Politiker. Der frühere NRW-Ministerpräsident und Ex-Bundesfinanzminister ist laut einer aktuellen Forsa-Umfrage für den "Stern" der Politiker, dem die Bürger am meisten vertrauen. Er erhielt 58 von 100 Vertrauenspunkten und liegt damit noch vor Kanzlerin Angela Merkel (57 Punkte). Dabei ist Steinbrück derzeit "nur" einfacher Abgeordneter. Prompt legt sich die "Bild"-Zeitung fest und titelt: "Peer Steinbrück wird Kanzlerkandidat."

Folgt auf den Hype bald Ernüchterung

Ist der Hanseat mit Wahlkreis in Mettmann, der das Nashorn zu seinen Lieblingstieren zählt, noch zu stoppen? Oder folgt dem Hype bald die Ernüchterung?

Der Autor der Umfrage, Forsa-Chef Manfred Güllner, warnt vor einer Überschätzung des 64-Jährigen. Wenn die Euro-Krise entschärft werde, werde die Zustimmung zu dem früheren Finanzminister sinken, prophezeit Güllner. Wer aus der SPD-Troika — neben Steinbrück gelten SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als mögliche Kandidaten — das Rennen mache, sei offen. Steinbrück sei ein zu sehr "sich selbst als Super-Experte darstellender Finanztechnokrat", sagt Güllner. Ein Mann "mit zu tief herabgezogenen Mundwinkeln".

Die Masse der Deutschen scheint diese Einschätzung bisher nicht zu teilen. Steinbrück wird wegen seiner Arbeit in der großen Koalition, als geschickter Manager der Finanzkrise, geschätzt. Das Duo Merkel/Steinbrück funktionierte in der Hochphase der Wirtschaftskrise nach Ansicht der Deutschen gut. Steinbrücks Popularität lässt sich aber auch mit dem Guttenberg-Phänomen erklären. In seinen Auftritten und Reden legt der SPD-Mann Wert auf eine kritische, selbstironische Distanz zum politischen Betrieb.

"Mir dürfen Sie glauben..."

An seiner Verachtung für Gremiensitzungen und blumige Politiker-Versprechen lässt Steinbrück sein Publikum teilhaben. Steinbrück gibt sich als Anti-Politiker, der den Leuten reinen Wein einschenkt ("Mir dürfen Sie glauben. Ich verspreche Ihnen nichts"). Das Bild des letzten Aufrechten in der Politik gefällt ihm.

Doch seine politische Vita belegt diese Stringenz nicht immer. Als Finanzminister geißelte Steinbrück die Exzesse an den Finanzmärkten, die Gier der Banker nach renditeträchtigen Finanzprodukten. Als NRW-Ministerpräsident und Aufseher der krisengeschüttelten WestLB ließ er über Jahre zu, dass sich die Landesbank mit Steuerzahlergeld im undurchsichtigen Derivatehandel verzockte. In der großen Koalition stimmte Steinbrück 2009 für die Rentengarantie. Wenige Wochen später kritisierte er den Beschluss als "grenzwertig" und ökonomisch falsch.

Im März dieses Jahres beklagte der Oppositionspolitiker Steinbrück im Bundestag, dass die Finanzmärkte nicht ausreichend reguliert seien. Als zuständiger Minister kam er bei den Beschränkungen für Hedge-Fonds und Leerverkäufen allerdings auch nicht viel weiter. Zur Finanztransaktionssteuer sagte Steinbrück vor zwei Jahren: "Wenn nicht alle Länder eine solche Steuer auf alle Finanzmarktgeschäfte einführen, können Sie das Ding vergessen." Inzwischen plädiert er für einen europäischen Alleingang.

SPD arbeitet an Steuer-Modell

Diesen Ungereimtheiten könnte bald eine hinzugefügt werden. Kommende Woche will SPD-Chef Sigmar Gabriel das neue Steuerkonzept der Partei vorstellen. Einen höheren Spitzensteuersatz und die Wiedereinführung einer Vermögensabgabe werden darin stehen, ist zu hören. Peer Steinbrück hat beides früher abgelehnt. Nun hat er an dem Modell mitgearbeitet.

Wer am Ende als Spitzenkandidat gegen Kanzlerin Merkel antritt, liegt in der Hand von Sigmar Gabriel. Der Parteivorsitzende hat das Vorschlagsrecht. Gabriel inszeniert bisher lustvoll die Troika. Er selbst sieht sich darin als Herr des Verfahrens. Er war es, der die Idee zu der gemeinsamen Pressekonferenz von Gabriel, Steinbrück und Steinmeier hatte. Gabriel saß zwischen beiden.

Dass alle drei eine Rede auf dem Parteitag im Dezember halten sollen, entstammt ebenfalls aus dem Büro des Vorsitzenden. Ob er selbst antritt, will Sigmar Gabriel erst Ende 2012 entscheiden. Ausgeschlossen ist das aber nicht.

Dass Steinbrück mit einer Radio-Äußerung die Debatte über die Kandidatur schon jetzt losgetreten hat, wird im Willy-Brandt-Haus kritisch gesehen. "Wer zu früh losläuft, kann das Ziel verpassen", sagt ein SPD-Stratege. Zwei Jahre könne keiner als Kandidat durch das Land laufen, ohne beschädigt zu werden. Als Peer Steinbrück neulich zu Gast bei Manfred Bissinger, dem früheren Chefredakteur der "Woche" war, gab er in kleiner Runde zu, dass ihm der Hype selbst ein wenig unheimlich sei. Beenden wird er ihn wohl trotzdem nicht.

"Zug um Zug"

Ende Oktober gehen die Steinbrück-Festspiele weiter. Das gemeinsame Buch mit Altkanzler Helmut Schmidt ("Zug um Zug") kommt auf den Markt. Mit dem Gesprächsband erteilt der angesehene Altkanzler Steinbrück den politischen Ritterschlag. Ein Buch mit Bestseller-Garantie.

Dass Steinbrück Kanzlerkandidat werden will, ist in der Partei inzwischen ein offenes Geheimnis. Damit korrigiert er sich erneut. "Sie werden mich nicht an den Gitterstäben des Kanzleramts erleben", hat Steinbrück in einer Fernsehdiskussion mal gesagt. In das Kanzleramt wolle er "allenfalls noch als Besucher reingehen".

(RP)
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