Bundeswehr Trotz Freiwilligenarmee — Hunderte verweigern Kriegsdienst

Berlin · Seit Mitte 2014 wollten 62 Soldatinnen und 407 Soldaten aus Gewissensgründen entlassen werden. Das kann auch teuer werden.

 Seit Mitte 2011 gibt es die Bundeswehr nur noch als Freiwilligenarmee.

Seit Mitte 2011 gibt es die Bundeswehr nur noch als Freiwilligenarmee.

Foto: dpa

Die Kriegsdienstverweigerung erhitzte über Jahre die Gemüter, als sich junge Männer per Postkarte vom Dienst fürs Vaterland verabschieden konnten. Seit Mitte 2011 gibt es die Bundeswehr nur noch als Freiwilligenarmee. Niemand wird gezwungen — und doch gibt es auch bei den Männern und Frauen, die aus freien Stücken den Dienst mit der Waffe antreten, jedes Jahr Hunderte, die nachträglich mit ihrem Gewissen hadern: 62 Soldatinnen und 407 Soldaten stellten seit Mitte 2014 einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung. Die Linke vermutet einen Zusammenhang mit Kampfeinsätzen.

"Das Risiko des Soldatenberufs, töten zu müssen oder getötet zu werden, wird in konkreten Gefechtssituationen oft als Schlüsselerlebnis erstmals erfahrbar und häufig erst dann in seiner vollen Tragweite begriffen", erläutert die Linken-Bundeswehrexpertin Katrin Kunert.

Höchster Anteil bei Obergefreiten

Wie die Bundesregierung auf Anfrage der Linken mitteilte, wurden seit Mitte 2014 insgesamt 644 Anträge (auch aus zurückliegenden Monaten) vom zuständigen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben bearbeitet. 67 Prozent endeten mit einer Anerkennung, 25 Prozent mit einer Ablehnung, und acht Prozent wurden als unzulässig angesehen oder wieder zurückgezogen.

Den höchsten Anteil der Antragsteller weisen unter den Dienstgradgruppen die Obergefreiten auf. Das sind diejenigen, die auch besonders oft "vorne" dabei sind. Auch die Stabsunteroffiziere, Unteroffiziere und Leutnante — in jedem Einsatz unerlässlich — sind stark vertreten.

Besonders für Offiziere kann die Verweigerung eine teure Angelegenheit werden. Von 153 entlassenen Offizieren oder Offiziersanwärtern forderte der Bund über 5,6 Millionen Euro an Ausbildungskosten zurück, in einer Spannweite von 1200 bis 69.000 Euro pro Fall. Auch von 83 Unteroffizieren und Unteroffiziersanwärtern wollte der Bund Geld zurück, das er in ihre Fachausbildung gesteckt hatte. Hier blieb es bei einer Gesamtsumme von rund 400.000 Euro, was im Einzelfall aber auch bis zu 28.500 Euro teuer wurde. Bei den Mannschaften gab es zwei Rückforderungen zwischen 2800 und 3000 Euro.

Linke fordert einfacheres Verfahren

Nachdrücklich fordert die Linke, die Verfahren zu vereinfachen. Die Begründungspflicht sollte durch eine einfache Willenserklärung ersetzt werden. Außerdem müssten die Antragsteller die Gelegenheit bekommen, ihre Beweggründe auch persönlich in einer mündlichen Anhörung zu erläutern.

Dieses werde in jedem Einzelfall als Möglichkeit abgewogen, unterstrich die Bundesregierung in ihrer Antwort, insbesondere bei "Zweifeln am Wahrheitsgehalt". Doch nicht erst seit 2014 gab es keine einzige Anhörung mehr. Die letzte datiert aus dem Jahr 2005.

(may-)
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