Köln Sagte Kölns Oberbürgermeisterin Reker die Unwahrheit?

Köln · Als sich die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Polizeipräsident Wolfgang Albers am 5. Januar den Fragen der Journalisten zu den Vorfällen in der Silvesternacht stellten, ahnte wohl keiner der beiden, dass einer von ihnen am Ende der Woche seinen Hut würde nehmen müssen - unter anderem wegen dieser Pressekonferenz. Beide beteuerten, dass ihnen keine Hinweise auf die Täter vorlägen. Reker erklärte, dass es absolut unzulässig sei, die Geschehnisse mit Flüchtlingen in Verbindung zu bringen.

Während Albers wegen dieser vermeintlichen Fehlinformationen so stark unter Druck geriet, dass Innenminister Ralf Jäger (SPD) ihn drei Tage später in den Ruhestand versetzte, warf man Reker nicht vor, Informationen aus politischen Gründen zurückgehalten zu haben. Bei ihr konzentrierte sich die Kritik auf ihre Verhaltensregeln für Frauen, wonach sie bei Großveranstaltungen in der Öffentlichkeit "eine Armlänge" Abstand zu fremden Männern halten sollten. Eine unglückliche Formulierung, für die sie Hohn und Spott erntete - mehr aber nicht. Vertuschung wurde ihr nicht vorgeworfen; anders Albers, der deswegen sein Amt verliert.

Doch schon am Tag nach der Pressekonferenz sickerte durch, dass die Polizei sehr wohl Hinweise darauf hatte, dass Flüchtlinge unter den Tatverdächtigen waren. Ein Einsatzbericht enthüllt, dass es in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof 71 Personalienfeststellungen durch die Polizei und zehn Platzverweise gegeben hat. Zudem wurden vier mutmaßliche Täter vorläufig festgenommen und 32 Anzeigen von Opfern gestellt. Gefertigt wurde dieses Protokoll bereits am 2. Januar, also drei Tage vor der Pressekonferenz.

Doch noch am 8. Januar erklärte Reker in einer Pressemitteilung, von dem Einsatzbericht zum Zeitpunkt der Pressekonferenz nichts gewusst zu haben. Sie habe erst am Abend des 7. Januar aus den Medien davon erfahren. Sie wirft der Polizei stattdessen vor, sie nicht ausreichend informiert zu haben über die Tatverdächtigen. "Es irritiert mich insofern, als dass ich den Kölner Polizeipräsidenten und die Kölner Polizeiführung bereits am Dienstag (5. Januar) um eine detaillierte Lagedarstellung gebeten habe", erklärt sie in der Mitteilung. "Insofern ist mit meinem heutigen Kenntnisstand das Vertrauensverhältnis zur Kölner Polizeiführung erheblich erschüttert." Als diese Pressemitteilung veröffentlicht wurde, war Albers schon von Innenminister Ralf Jäger in den Ruhestand versetzt worden. Der NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, wirft Reker deswegen einen schlechten Stil vor. "Man tritt nicht noch nach, wenn jemand schon auf dem Boden liegt", so Plickert.

Aus Polizeikreisen wird Reker sogar vorgeworfen, dass ihre Angaben nicht richtig seien. "Sie hat offenbar gelogen", sagt ein Ermittler. Ganz so weit will man in Reihen der Kölner Politik bislang nicht gehen. "Ich kenne Frau Reker seit vielen Jahren. Dass sie bewusst die Unwahrheit gesagt hat, glaube ich nicht", sagt ein Mitglied des Kölner Stadtrates, das anonym bleiben möchte.

(csh)
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