Tote Hosen unplugged in Düsseldorf Campinos Familientreffen mit Musik

Düsseldorf · Die Toten Hosen spielten ein akustisches Konzert in der Düsseldorfer Tonhalle. Es wurde ein denkwürdiger Abend mit Stadion-Atmosphäre. Im Mittelpunkt stand Sänger Campino, der trotz Erkältung zweieinhalb Stunden durchhielt.

Unplugged: Die Hosen in der Tonhalle
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Es gab mehrere rührende Szenen an diesem schönen Abend. In der ersten mahnte die verzweifelte Ordnerin der Tonhalle, wer seine Jacke mitnehme in den Saal, der müsse sie die ganze Zeit über anbehalten. Jacke auf Schoß, das sehe die Hausordnung nicht vor. Man nickte also, stieg hinauf zu seinem Platz und sah im Parkett ein paar Hundert in Fußball-Trikots gekleidete Menschen zwischen heftig wackelnden Sitzreihen "Hey Ho, Let's Go" rufen, die Anfangszeilen des Punkrock-Hits "Blitzkrieg Bop". Da wusste man: Das mit der Jacke ist egal.

Die Toten Hosen gaben in Düsseldorf ein akustisches Konzert auf jener Bühne, die sonst der klassischen Musik vorbehalten ist. Die Band wurde von einem Cellisten und einer Pianistin unterstützt, gemeinsam hatten sie die Gassenhauer "Hier kommt Alex" und "Bonnie und Clyde" neu arrangiert — leiser, feiner. Aber 1650 Fans erlebten einen Auftritt, bei dem die Musik dann doch nicht so wichtig war. Vielmehr wurde das so etwas wie ein sonntäglicher Kaffeeklatsch in der Familie: Wehmut, Nostalgie, Balsam für die Seele und immer wieder die alten Geschichten.

Im Foyer gab es Currywurst und Fortuna-Brötchen, und das Bier ging schon lange vor Konzertbeginn aus. Überall hingen rotweiße Flaggen, sogar im ehrwürdigen großen Saal. Es war wie im Stadion, nur ohne Rasen in der Mitte.

Als Campino erschien, brachte ihm das Publikum ein Ständchen zum 50. Geburtstag. Er bedankte sich, und er warnte: "Ich bin erkältet — mal sehen, wie lange ich durchhalte." Er setzte sich auf einen Caféhaus-Stuhl, fuhr sich mit der Hand dramatisch durchs Haar und gurgelte mit Tee. Er sah in diesem Moment aus, als sei er von Pina Bausch auf der Tanzbühne vergessen worden, und man dachte schon: Oh je! Zum Glück hatte er Coca-Bonbons aus den Anden dabei, bald gab es Altbier, und nach 15 Minuten war er so von sich und der Atmosphäre berauscht, dass er zweieinhalb Stunden bei bester Laune weitermachte.

Seine heute 90 Jahre alte Musik-Lehrerin aus der Grundschule hatte er eingeladen. Campino stieg von der Bühne und begrüßte sie, sie gab ihm einst eine Drei. So ging es weiter, so intim. Zum ersten Mal sei er als Junge mit seiner Mutter in der Tonhalle gewesen, berichtete er, er habe dafür eigens einen neuen, teuren Mantel bekommen, den er heute noch besitze: "Und der passt noch!". Der Trompeter Maurice André sei damals aufgetreten, in den 70er Jahren, danach habe man ihn zum Musikunterricht geschickt: viereinhalb Jahre Trompete — bis das Instrument in seiner Not angefangen habe zu sprechen: "Junge, hör lieber auf!" Der toten Mama widmete Campino das Stück "Nur zu Besuch": "Sie wäre sicher froh, mich heute hier zu sehen." Nun ist er selbst Vater. Er erzählte von seinem achtjährigen Sohn, der Fußball-Klebebilder bekomme, wenn ihn der Papa von der Schule abhole. Ihm widmete er den Titel "Das ist der Moment".

Zwischendurch sang das Publikum für den Fußballverein Fortuna und gegen die Stadt Köln, niemand mochte mehr sitzen, und Campino sagte, wie toll Düsseldorf ist und wie super und klasse und großartig. Radikal-Folklore war das, und dass es nicht zur Betriebsfeier für Berufs-Düsseldorfer geriet, lag an der Herzlichkeit, die auch Zugezogene fasziniert, wenn sie die Toten Hosen daheim erleben. Diese Stadt und diese Band — unglaublich. Die meiste Zeit verbrachte Campino auf einem Ding, das wie ein Bronze-Sockel aussah, und darauf wirkte er wie ein Denkmal seiner selbst. Es gibt nur noch wenige Frontmänner im Pop, kaum jemand hat dieses Charisma, es füllte den Raum. Campino sang "Das Model" von Kraftwerk und "Amadeus" von Falco. Er brachte "Tage wie diese", den einzigen Nummer-eins-Hit in 60 Jahren Rock 'n' Roll, der das Wort "Rheinterrassen" enthält. Und für den "Eisgekühlten Bommerlunder" packte er jene Trompete aus, die er einst so gequält hat, und damit verwandelte er das Sauflied in einen lässigen Boogie. Fangesänge, mächtiger Applaus, "bitte noch nicht gehen", bedeutete das. Also kehrte die Band noch einmal zurück und spielte die Fußball-Hymne "You'll Never Walk Alone". Verrückt: Beim Hinausgehen fühlte man sich irgendwie geborgen.

(RP/top)
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