Meerbusch "Ich komma saufen"

Meerbusch · Das Theaterstück der Freien Bühne Düsseldorf von Holger Schober wurde als Liveauftritt in der Strümper Raphaelschule inszeniert. Die überraschten Schüler waren erst einmal sprachlos.

 In der Raphaelschule in Strümp erlebten die zwischen 15 und 17 Jahren alten Schüler und Schülerinnen das Theaterstück "Ich komma saufen" hautnah.

In der Raphaelschule in Strümp erlebten die zwischen 15 und 17 Jahren alten Schüler und Schülerinnen das Theaterstück "Ich komma saufen" hautnah.

Foto: Ulli Dackweiler

Der Polizist liefert den lautstark protestierenden Sünder bei Klassenlehrerin Daniela Hahne wie abgesprochen ab. Nur widerwillig gibt er sich mit der ihm auferlegten Situation zufrieden. Die rund zehn Schüler der Klasse O2 (zwischen 15 und 17 Jahren) der Raphaelschule in Strümp wirken überrascht, neugierig. Dann poltert H. auch schon los. Die Welt ist Mist, die Menschen sind langweilig, die Schüler interessieren ihn gar nicht. Hier sei er nur wegen seiner Bewährungsauflagen. Schockierte Blicke in der Klasse. "Ich war Komasäufer, bei uns hieß das aber Kampftrinker", so H.

Ruhe. Stille. Zwei Jungs sind wie gefesselt. Sollen sie jetzt lachen? Die Szene wirkt so echt, dass keiner im Raum weiß, wie er nun reagieren soll. Brillant bringt Marco Pickart Alvaro alias H. seine Botschaft in den ersten Minuten rüber. Alvaro ist Schauspieler der Freien Bühne Düsseldorf. Der Polizist vor der Klassenzimmertüre ist Lars Krückeberg, Regisseur und Schauspieler. Doch das wissen die Jugendlichen nicht. Sie erfahren gerade einen Liveauftritt des Theaterstücks "Ich komma saufen" von Holger Schober.

Dann geht es auch schon weiter. Protagonist H. habe mit dreizehn Jahren mit dem Trinken begonnen. Heute ist er wohl Mitte 20. Sein Freundeskreis setzte sich nur aus Säufern zusammen. Einer tötete während einer Vergewaltigung im Rausch sein Opfer, ein anderer sprang betrunken von der Rheinkniebrücke "und sitzt nun sabbernd im Rollstuhl". Die Schüler hängen Marco Pickart Alvaro an den Lippen. Ganze 45 Minuten lang. "Ich habe kein Problem mit Alkohol. Probleme haben nur diejenigen, die damit nicht umgehen können", schimpft H. über Gott und die Welt. Und es verfehlt sein Ziel nicht. Das Klassenzimmertheater ist zweifelsohne ein voller Erfolg. "Alvaro trifft genau den Nerv", sagt Katrin Ueberall, Oberstufenleiterin der Raphaelschule. Denn während H. über sein Leben spricht, entwickelt er ein abschreckendes Psychogramm, das die Schüler vielleicht nicht beschreiben, aber spüren können. Die Coolness wird entzaubert. "Der Typ ist voll langweilig", wird der siebzehnjährige Servet nach dem Auftritt sagen. Ein vernichtendes Urteil.

Als Marco Pickart Alvaro zum Ende der Vorstellung kommt, löst er die Situation auf. Er war so gut, dass er zweimal erklären muss, dass er Schauspieler ist. Leichte Zweifel. Die Klassenzimmeratmosphäre verändert sich, aber langsam. Klassenlehrerin Daniela Hahne findet auch nur ein Fazit: "Das kommt besser an als jeder Vortrag." Intensiv, kompakt, das Bewusstsein erreichend.

(RP)
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