Muhammad Ali ist tot Sein Ring ist nun der Himmel

Phoenix/Düsseldorf · Im Alter von 74 Jahren ist Boxlegende Muhammad Ali gestorben. Zu Beginn seiner Karriere galt Ali vielen als Großmaul. Seinen letzten Kampf führte er voller Demut. Zeit seines Lebens strahlte er eine Faszination aus, der man sich nicht entziehen konnte.

Muhammad Ali – seine besten Sprüche
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Foto: Ali

Keiner stand so sehr für die ganze Tragik des Boxsports. Muhammad Ali hat einem brutalen Sport die Schönheit geschenkt. "Float like a butterfly, sting like a bee" (Schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene) — er hat nicht dumpfe Drohungen ausgesprochen, sondern selbst Kampfansagen an die Konkurrenz kunstvoll verpackt. Er hat mit Eleganz und Perfektion die Massen begeistert. Er war mit seinem Mut und seiner Haltung als Mensch für viele ein Vorbild. Der Schriftsteller Norman Mailer adelte ihn als "Fürst des Himmels" und widmete ihm ein epochales Werk mit dem schlichten Titel "The Fight". Doch am Ende war Ali ein Geschlagener seiner Leidenschaft. Der größte Boxer aller Zeiten litt, ausgelöst von zu vielen Treffern an seinem Kopf, seit Jahrzehnten an der Parkinsonschen Krankheit.

Am Freitagabend ist "the Greatest" in Phoenix im US-Bundesstaat Arizona gestorben. Er wurde 74 Jahre alt.

Muhammad Ali - eine Boxlegende in Bildern
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Foto: dpa, ase ay

Ali war am Donnerstag wegen Atemproblemen in eine Klinik eingeliefert worden, im Laufe des Freitagabends verdichteten sich Berichte über eine rapide Verschlechterung seines Zustandes. Ali, geboren als Cassius Marcellus Clay Jr. in Louisville/Kentucky, war seit 1984 an Parkinson erkrankt. 1981 hatte er seine Karriere beendet. "Ali, Frazier und Foreman, wir waren wie ein Mann. Ein Teil von mir ist heute von uns gegangen, der großartigste Teil", schrieb George Foreman, einer von Alis größten Rivalen, bei Twitter. "Gott hat seinen Champion zu sich geholt", schrieb der frühere Weltmeister Mike Tyson. Für Wegbegleiter Don King wird Alis "Geist für immer leben." Der Promoter sagte: "Er repräsentierte das, was jeder Athlet anstrebt, den unbedingten Siegeswillen. Er war fabelhaft, ein großartiger Mensch."

Es war im Februar 1964. "Wer ist der Größte?" fragte Cassius Clay nach dem Sensationssieg über Sonny Liston in Miami die Presse. Er gabe die Antwort selbst: "I am the Greatest". Der Olympiasieger von Rom 1960 war gerade 22 geworden. Für weite Teile der vorwiegend weißen amerikanischen Gesellschaft war er nur ein schwarzes Großmaul. Aber er hat sie gezwungen, ihm zuzuhören. Er mag ihnen zuwider gewesen sein, aber er hat eine Faszination ausgestrahlt, der man sich nicht entziehen konnte.

Wenn zur "prime time" in Amerika der Gong ertönte, klingelte auf anderen Kontinenten der Wecker. Seine drei legendären Jahrhundertkämpfe gegen Joe Frazier und George Foreman in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre gingen in die Geschichte ein. Zwei Tage nach seinem WM-Sieg über Liston konvertierte Ali zum Islam und legte den "Sklavennamen" Cassius Clay ab. Er verweigerte den Kriegsdienst in Vietnam und nahm dafür in Kauf, dass er 1967 den WM-Titel verlor und für drei Jahre gesperrt wurde. "Er verzichtete auf Ruhm, Millionen von Dollars, um für das einzustehen, was sein Bewusstsein ihm rät", sagte Martin Luther King. Ali hat aber vor allem, wie der deutsche Publizist Jan Philipp Reemtsma einmal geschrieben hat, eine Gesellschaft besiegt, die einen selbstbewussten afroamerikanischen Sportler nicht ertragen konnte. Der dreimalige Weltmeister im Schwergewicht war sein Leben lang ein Fernseh-Superstar. Er wusste, was das Publikum sehen wollte. Er war Sportler und Künstler. Tänzelnder Boxästhet. Narzisstischer Schreihals. Schwarzer Rebell. Pazifistische Symbolfigur.

Für Muhammad Ali waren es nicht nur Kämpfe im Ring, er ist in die Schlacht gezogen. Er hat Dramen erschaffen wie den "Fight of the Champions" (1971), den Ali gegen Frazier im Madison Square Garden nach einem schweren Niederschlag in der letzten Runde nach Punkten verlor. Nach seiner dreijährigen Zwangspause war ihm die Leichtigkeit in den Beinen abhanden gekommen. Beim "Rumble in the Jungle" (1974) in Kinshasa holte Ali sich den Titel zurück. Seine Taktik war so simpel wie selbstzerstörerisch. Er ließ sich in die Seile fallen, kassierte gnadenlos Schläge. Foreman wurde aber so schnell müde — und Ali schlug ihn in der achten Runde nieder. Beim "Thrilla in Manila" (1975), der brutalsten und epischsten Schlacht der Boxgeschichte, durfte Frazier auf Geheiß seines Trainers Eddie Futsch zur letzten Runde nicht mehr antreten. "Der nächste Schlag hätte tödlich sein können", entschied der Coach. "Es war wie der Tod", stöhnte Ali völlig entkräftet. "Ich habe erfahren, was dem Sterben am nächsten kommt."

Rumble in the Jungle: Muhammad Ali gegen George Foreman
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Der legendäre "Rumble in the Jungle"

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Foto: dpa, hrad jai nic

Er war mehr als ein Boxchampion. "Ich boxe nur, um bestimmte Dinge zu überwinden, die ich sonst nicht überwinden könnte", hat er einmal gesagt. "Ich bin der schwarze Kissinger." Der Autor Hartmut Scherzer, der Ali über Jahrzehnte begleitet hat, befand einmal: "Sein Engagement für die Bürgerrechtsbewegung und die politische Emanzipation der Afroamerikaner in den USA, sein Protest gegen den Vietnam-Krieg sind so bedeutsam geblieben wie sein Boxstil für die globale Akzeptanz des ästhetischen Faustkampfes. Sein umwerfender Charme und sein faszinierendes Charisma verzauberten die Welt ebenso wie sein eleganter Boxstil."

Seinen letzten Kampf führte er voller Demut. Gegen eine Krankheit, die ihm immer mehr genommen hatte, was ihn ausgezeichnet hat: seine geschmeidige Bewegung, seine wortgewaltige Sprache. Ali, ein strenggläubiger Muslim, hat einmal über sein Schicksal gesagt: "Ich habe nie gefragt: Warum ich? Ich bin mit so viel Gutem gesegnet. Gott prüft mich."

Sein Ring ist nun der Himmel.

(gic)
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