Fifa-Boss Blatter Der König eines zerfallenden Reiches

Zürich · Joseph S. Blatter geht in seine fünfte Amtszeit als Fifa-Präsident. Alle Skandale haben dem Schweizer nichts anhaben können.

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Foto: dpa, pse hak

Joseph S. Blatter ist der Herrscher eines zerfallenden Reiches. Im dunklen Sakko mit goldenem Fifa-Schriftzug thronte der Präsident allerdings am Freitag wieder im Machtzentrum des Weltfußballs, als wäre nichts geschehen. Dennoch - in kleinen Momenten und Gesten ließ sich erkennen, wie sehr ihm der ungeheuerliche Skandal der vergangenen Tage zugesetzt hatte.

Der 79-Jährige, wirkte im Züricher Hallenstadion etwas müde, er versuchte, seine Rede besonders eindringlich zu halten. Er fixierte seine Zuhörer, setzte bewusst Wirkungspausen ein und umfasste das Rednerpult mit beiden Händen. Er wusste, worum es geht: um alles. Um sein Lebenswerk. Daher klammert er sich an seine Macht wie ein greiser König, dessen Zeit abläuft.

Am Ende, um 19.15 Uhr, war alles wie immer. Joseph S. Blatter lächelte nur kurz, als sein einziger Herausforderer Prinz Ali bin Al Hussein (Jordanien/39) zurückzog er damit die Bestätigung für seine fünfte Amtszeit bekam. Er ist angekratzt wie nie in den 17 Jahren einer denkwürdigen, skandalumwitterten Regentschaft. Er wolle in vier Jahren abtreten (das hat er schon 2011 versprochen) und eine starke Fifa übergeben, die "den Sturm hinter sich hat".

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Das System Blatter - in der Fifa läuft es seit vielen Jahren wie geschmiert. Der mächtige Strippenzieher aus dem Wallis ist ein Stehaufmännchen, das keine noch so große Krise umgehauen hat. Die Festnahmen von sieben Fifa-Funktionären am Mittwoch, die weitreichenden Ermittlungen der Justizbehörden und immer lauter werdende Rücktrittsforderungen perlen am allmächtigen Verbandsboss ab. 100 Prozent Teflon.

Auch am Freitag hieß es zum zusätzlichen Schutze: Keine Fragen an den Präsidenten! Die Pressekonferenz zur Wahl wurde auf den Samstag verlegt, es war wieder ein kleines Anzeichen für Unsicherheit. Schon am Mittwoch hatte Blatter nicht den Mut gehabt, nach der Weltnachricht der Verhaftungen selbst vor die Presse zu treten. Sein Mediendirektor Walter De Gregorio verbreitete aber das offizielle Fifa-Glaubensbekenntnis: Alles ist gut, der Weltverband der Geschädigte - und, am Allerwichtigsten: Sepp Blatter ist nicht Gegenstand der Untersuchungen. Krise? Welche Krise?

Wenn Blatter redet, sind ohnehin die anderen schuld. So auch in seiner Kongress-Rede am Freitag: Man könne nicht alles und jeden immer im Blick haben, Verfehlungen von "Einzelpersonen" gebe es nun mal. Konsequenzen, Rücktritt gar? Nein. Nicht mit Joseph S. Blatter.

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In seinen über 40 Jahren im Weltfußball, größtenteils weit, weit oben an der Spitze, ist er so kunstvoll auf dem schmalen Grat zwischen Verachtung und Bewunderung, zwischen Himmel und Hölle gewandelt wie noch kein Sportfunktionär vor ihm.

Mal Jesus Christus, mal der Teufel höchstpersönlich. Mal Robin Hood, der die Armen beschenkt, mal der Sheriff von Nottingham, der die Armen bis aufs Blut ausbeutet - alles Vergleiche, die so tatsächlich gezogen worden sind. "Es gibt jene, die erzählen, die FIifa sei nur ein Haufen von Verschwörern und Betrügern, der niemandem Rechenschaft schuldig ist und so mächtig ist, dass niemand widerstehen kann", sagte Blatter einst.

Als Blatter, heute noch geistig wie körperlich bewundernswert auf der Höhe, 1975 Direktor der Fifa-Entwicklungsprogramme wurde, war diese Rufschädigung noch nicht abzusehen. Der einstige Student der Handels- und Volkswirtschaftswissenschaft war ehrgeizig, er stieg bereits 1981 zum Generalsekretär auf. 17 Jahre später gewann er gegen den europäischen Kandidaten Lennart Johansson, damals Uefa-Boss, die Wahl zum Fifa-Präsidenten. Schon damals sah sich Blatter Bestechungsvorwürfen ausgesetzt.

Beim ISL-Skandal ging auch nicht alles mit rechten Dingen zu - Blatter hatte zwar Kenntnis über Zahlungen, konnte aber nicht belangt werden. Es folgte schließlich die doppelte WM-Vergabe an Russland und Katar im Jahr 2010. Seitdem steht er mehr denn je im Kreuzfeuer, die Kritiker ätzten. Blatter blieb aber stets ruhig und lamentierte schon häufiger: "Welche Krise?"

(sid)
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