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Analyse zur Handball-WM Deutschland kann den WM-Titel holen

Düsseldorf · In kurzer Zeit hat der neue Bundestrainer Sigurdsson eine Mannschaft geformt, die sich bei der WM in Katar viel Respekt verschafft hat. Die Bundesligaprofis machen beste Werbung für ihre Sportart, sogar der ganz große Wurf ist möglich.

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Deutschland holt Punkt im Krimi gegen Dänemark

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Es stimmt - aber irgendwie dann doch wieder nicht. Die deutschen Handballprofis haben bei der WM in Katar noch nichts in der Hand. Sie sind aber im Gespräch und nicht mehr im Gerede, wie noch vor gut einer Woche. Damals wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Spieler eigentlich gar nicht dabei sein dürften. Und nun werden sie gefeiert - auch von jenen, die vor zwei Wochen noch gar nicht wussten, dass eine Weltmeisterschaft anstand. Sportlich in zwei Spielen an Polen gescheitert, musste eine Wildcard für den mitgliederstärksten nationalen Verband her. Der Weltverband (IHF), so dessen Überzeugung, braucht den deutschen Markt. Da opferte man im Juli mal kurz die Australier.

Und nun? Ganz kühne Optimisten erinnern schon an 1992. Damals wurden die dänischen Fußballprofis aus dem Urlaub zurückgeholt. Als Nachrücker für das wegen des Balkankonflikts ausgeschlossene Jugoslawien holten die Skandinavier den EM-Titel - durch einen Finalsieg gegen Deutschland. Die Spieler der von Bundestrainer Dagur Sigurdsson zusammengestellten Auswahl kommen zwar nicht aus dem Urlaub, aber auch sie könnten das Geschenk nutzen, wenn es optimal läuft.

Der Isländer hat seit seinem Amtsantritt am 1. September eine Mannschaft geformt, die mit ihrer ruhigen, disziplinierten und cleveren Spielweise überrascht. Sie ist im Altersdurchschnitt (26,7 Jahre) die jüngste der 15 europäischen Teams in Katar. Neben den Torhütern Carsten Lichtlein und Silvio Heinevetter vertraut Sigurdsson einem harten Kern von sieben Feldspielern. Die Außen Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki sind top. Im Rückraum spielt Steffen Weinhold bislang ein überragendes Turnier. Patrick Wiencek und Henrik Pekeler, die als Chefs der Abwehr mächtig austeilen, auf der Gegenseite als Kreisspieler aber auch viel einstecken müssen, Talent Paul Drux und der erstaunlich agile Spielgestalter Martin Strobel ergänzen den Kader, der das Zeug zu Großem hat. Die von Sigurdsson mit Bedacht eingewechselten Ergänzungsspieler erfüllen ihre Pflicht.

Eine gute Abwehr, starke Torhüter, Disziplin im Angriff und erfolgreiche Gegenstöße - das sind für Sigurdsson die Bestandteile der Goldformel. Seine Spieler haben sie gegen Polen (29:26), Russland (27:26) und zuletzt gegen den WM- und EM-Zweiten Dänemark (30:30) bestätigt und sich zudem das erarbeitet, was ebenfalls für Erfolge erforderlich ist: Respekt beim Gegner und bei den Schiedsrichtern.

Und dennoch: Der Grat zwischen Jubel und Trauer ist schmal. "Das fühlt sich gut an. Aber man hat nach dem Spiel auch realisiert, was das für eine dünne Linie ist", stellte Sigurdsson fest. Statt der 5:1 Punkte könnte die Bilanz auch 0:6 lauten. Doch die Erfolge haben das Selbstbewusstsein wachsen lassen. Auch den Titelkandidaten Dänemark hatte man am Rande einer Niederlage. Es läuft gut, und das macht vieles leichter. Dabei sollte man nicht vergessen, dass bei der WM 2013 ebenfalls ein ganz großer Wurf hätte gelingen können. Im Viertelfinale gegen Spanien war ein Sieg möglich. Wenig später holte der Gastgeber den Titel, und die Talfahrt des deutschen Handballs setzte wieder ein.

Panamerikameister Argentinien, auf den Gensheimer & Co. heute (17 Uhr MEZ/Sky) treffen, gehört zu jenen Mannschaften wie auch Brasilien, Ägypten, Tunesien und die zusammengekaufte Weltauswahl Katars, die den Abstand zur Weltspitze verkürzt haben. Beim 24:24 der Argentinier gegen Dänemark und beim 23:24 gegen Polen wurde deutlich, dass es heute nicht leicht wird. "Es wäre zu früh, Kräfte zu schonen", sagt Sigurdsson. Der 41-Jährige will mit zwei Siegen ( heute und dann am Samstag gegen Saudi-Arabien) Platz eins in der Gruppe verteidigen.

Der Weltmeister wird neun Spiele in 17 Tagen absolviert haben. Da spielt auch die körperliche Verfassung eine große Rolle. Die Deutschen agieren am Limit. Das müssen sie auch in den K.o.-Begegnungen ab Montag. Unabhängig davon, ob der Gegner im Achtelfinale dann Island, Europameister Frankreich, Schweden oder Ägypten heißt. Der Weltmeister qualifiziert sich für die Olympischen Spiele 2016. Die Mannschaften auf den Plätzen zwei bis sieben sind bei einem der drei Turniere dabei, bei denen jeweils zwei Tickets für Rio vergeben werden. Dieses Ziel schon in Katar zu erreichen, würde den Gestaltern beim Deutschen Handballbund vieles erleichtern. Planungssicherheit ist wertvoll in Gesprächen mit Sponsoren. Erfolge machen neugierig, wecken Interesse an der Sportart Handball.

So, wie es 2007 war. Damals holte Deutschland im eigenen Land den WM-Titel, lockte beim Finalsieg gegen Polen fast 17 Millionen vor die Fernseher. Damals war das Team von Bundestrainer Heiner Brand nicht das dominierende, wohl aber jenes, das die Herausforderungen am erfolgreichsten löste. Es gehört mehr dazu als ein gutes Turnier, will man der Beste sein oder zu den Topmannschaften zählen. Über Jahre um Medaillen zuspielen, wie es die Franzosen, Spanier, Dänen und Kroaten zuletzt demonstrierten, ist das Merkmal von Klasse.

Gensheimer und seine Kollegen haben eine Basis geschaffen und einen Weg eingeschlagen, der optimistisch stimmt. Weitere Schritte müssen folgen, am besten gleich am Persischen Golf.

(RP)
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