Ratingen Mama Oeser glänzt bei der Rückkehr

Ratingen · Bei ihrem zweiten Siebenkampf nach der Babypause gelingt der Leverkusenerin in Ratingen die Qualifikation für die Weltmeisterschaften im August in Peking. Sie wurde Zweite hinter der Niederländerin Vetter.

Während aus den Boxen des Ratinger Stadions die Strophe zu "Atemlos" von Schlagerstar Helene Fischer dröhnt, wippt Jennifer Oeser ganz entspannt mit dem Fuß. In der rechten Hand hält die Leichtathletin den Speer, den sie in ihrem dritten und letzten Versuch gleich möglichst weit werfen soll. Die Uhr tickt runter. Oeser, groß auf der Videoleinwand eingeblendet, nickt rhythmisch mit dem Kopf. 30 Sekunden, Fischer singt erbarmungslos weiter, das rhythmische Klatschen der Zuschauer wird immer lauter. Doch erst als der Refrain ertönt, "Atemlos durch die Nacht", läuft die 31-Jährige los, schleudert den Speer auf 45,03 Meter - ihre beste Weite bei diesem Mehrkampf-Meeting in Ratingen. Wichtige Punkte auf dem Weg zu den 6306 Zählern, mit denen sich die Athletin des TSV Bayer Leverkusen Platz zwei hinter der Niederländerin Anouk Vetter sowie das dritte Ticket zur Weltmeisterschaft im August in Peking sicherte. Sie wird gemeinsam mit Claudia Rath und Carolin Schäfer, die sich bereits vor vier Wochen in Götzis (Österreich) qualifizierten, nach China fliegen.

Die Musikauswahl war nicht zufällig. Eigentlich hatte Oeser an diesem Wochenende Karten für ein Konzert - von Helene Fischer. Und weil sie diese verfallen lassen musste, spielte die Stadionregie bei jedem ihrer Versuche "Atemlos". Es schien Oeser beflügelt zu haben. Ende Mai erreichte sie bei ihrem ersten Mehrkampf nach der Babypause "nur" 6145 Punkte. Keine vier Wochen später packte sie noch einmal über 150 Zähler drauf. "Ich habe ehrlich gesagt überhaupt nicht mit der WM-Quali gerechnet", sagte die Wahl-Leipzigerin. "Ich muss mich jetzt überhaupt erst einmal mit der Planung beschäftigen."

Dabei war lange fraglich, ob Oeser, immerhin WM-Zweite 2009 in Berlin, noch einmal ihr altes Niveau erreichen würde. Im Oktober 2014 wurde sie Mutter eines Sohnes, zuvor hatte sie eine Verletzung lange außer Gefecht gesetzt. "Ehrlich gesagt gab es im Winter schon Momente, in denen ich stark an mir gezweifelt habe." DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska indes war von seiner Athletin überzeugt. "Mir war klar, dass Jenny konkurrenzfähig sein würde", sagte er. Ein bisschen profitierte Oeser vielleicht davon, dass ihre Konkurrentin um den letzten Startplatz, Lilli Schwarzkopf, von einem Infekt geschwächt in den Wettkampf ging. Oeser zeigte großen Kampfgeist, holte vor allem in ihren jeweils letzten Versuchen im Hochsprung und Speerwurf immer das Maximale heraus. Vor der letzten Disziplin war der Vorsprung vor Schwarzkopf so groß, dass diese zum abschließenden 800-Meter-Lauf erst gar nicht mehr antrat. "Es war trotzdem ein starker Zweikampf", sagte Gonschinska. "Aber Jenny hat mit ihrer Leistungssteigerung absolut überzeugt."

Ein ähnliches Comeback gelang Pascal Behrenbruch im Zehnkampf der Männer nicht. Der Ex-Europameister hatte sich acht Monate in den USA vorbereitet, um den drei starken Mehrkämpfern Michael Schrader, Rico Freimuth und Kai Kazmirek noch einen Peking-Startplatz streitig zu machen. Doch Behrenbruch verpatzte den ersten Tag fast komplett, da brachten auch Top-Leistungen im Speerwurf und Kugelstoßen nichts. "Ich hatte gehofft, dass mich der USA-Aufenthalt mehr nach vorne gebracht hätte, aber es hat leider nicht gereicht", sagte der 30-Jährige selbstkritisch. So lieferte Vizeweltmeister Schrader aus deutscher Sicht eine One-Man-Show und gehört in Peking zu den Medaillenkandidaten.

Davon sieht sich Jennifer Oeser aktuell weit entfernt. "Es tut gut, zu wissen, dass ich es noch kann", sagt sie. "Aber um die Medaillen werden in diesem Jahr andere kämpfen. Bei mir ist noch viel Luft nach oben."

(RP)
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