Ex-Weltrekordler Armin Hary wird 75 "Bin der größte Bettler Deutschlands"

Vor 52 Jahren lief er als Erster in 10,0 Sekunden 100-m-Weltrekord, gewann wenig später zweimal Gold bei Olympia. Am Donnerstag, 22. März, wird Armin Hary 75 Jahre alt.

 Vor 52 Jahren lief er als Erster in 10,0 Sekunden 100-m-Weltrekord: Armin Hary.

Vor 52 Jahren lief er als Erster in 10,0 Sekunden 100-m-Weltrekord: Armin Hary.

Foto: AP, AP

Seine Reaktion auf den Startschuss fühlt er noch heute mit jeder Faser seines Körpers. "Ich habe mich auf den Knall gestürzt wie ein Boxer auf den Gegner", sagt Armin Hary im Rückblick auf das legendäre 100-m-Rennen, das er am 21. Juni 1960 in Zürich als erster Mensch in blanken 10,0 Sekunden beendete. 72 Tage später gewann der damals 23-Jährige in Rom als bisher einziger Deutscher Olympiagold über 100 m, eine Woche später auch mit der 4x100-m-Staffel. Am 22. März wird die deutsche Sprint-Ikone 75 Jahre alt.

"Ich habe keine Feier geplant. Wer kommt, der kommt. Ich befürchte das Schlimmste", sagt Armin Hary, der in seinem Wohnort nahe Landshut auch mit Staffelkameraden von Rom rechnen muss. Startläufer war damals Bernd Cullmann, Hary übergab an Walter Mahlendorf, und Martin Lauer lief nach Disqualifikation der USA als Sieger durchs Ziel.

Der Mann, dessen Leben im Zeichen des Duells mit der Zeit stand, fühlt, dass ihm mit Ausnahme des Alterns noch heute alles zu langsam geht. Vor zehn Jahren war der Rentenbescheid für ihn "wie ein Schock", nun sagt er: "Unfassbar, dass ich in fünf Jahren auf die 90 zugehe. Ich will lange leben, weil ich noch viel vorhabe. Ohne Ziele stirbt man früher."

Hary sagt, er arbeite "bis zu 18 Stunden täglich" für die von ihm gegründete AHA-Stiftung zur kommunalen Förderung jugendlicher Sporttalente. Mit finanzieller Hilfe von Gemeinden und Firmen will er den Nachwuchs für den Sport gewinnen. Einige Hundertausend Euro pro Jahr bringt er auf, es reicht für einige hundert Talente - für ihn viel zu wenig.

"Ich bin der größte Bettler Deutschlands", sagt Hary über Hary. Vor Jahren hatte er versprochen, wenn er 10.000 Förderer finde, die je 10 Euro geben würden, werde er unter diesen seine 100-m-Goldmedaille verlosen: "Doch es waren deutlich weniger. Die Entscheidungsträger geben das Geld an andere Adressen. Aber ich stecke nicht auf, ich will im Leben noch ein kleines Zeichen setzen."

Das Talent Armin Hary, Sohn eines Bergmanns und deutschen Ringermeisters, kam über den Handball zur Leichtathletik. Im Zehnkampf stellte er mit 19 schon einen Saarland-Rekord auf (5376 Punkte), dann wurde er Sprinter. Als er mit 20 in 10,5 Sekunden Zweiter der Junioren-DM hinter Manfred Germar wurde, meinte der damalige Leverkusener Meistertrainer Bertl Sumser: "Den hol ich mir.
Der läuft die 100 m als Erster in 10,0."

Ärger mit Funktionären bremste die Karriere des Heißsporns Hary. 1958 wurde er wegen einer Spesenabrechnung über 70 Mark vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) einige Monate gesperrt. Im gleichen Jahr holte er nach der Steigerung auf 10,2 überraschend EM-Gold und mit Germar, Heinz Fütterer und Lauer auch Gold in der Staffel. Ein Weltrekord wurde ihm in Friedrichshafen/Bodensee verwehrt, weil die Aschenbahn neun Millimeter zu stark abfiel. Ähnlich passierte es Hary, der ein Stipendium in Los Angeles erhielt, in Zürich. Diesmal wurde der Weltrekord wegen Fehlstarts annulliert. 35 Minuten später schrieb er im Wiederholungslauf Sportgeschichte und gewann am 1. September in Rom in 10,2 Olympiagold.

Nach weiterem Verbandsärger wegen eines Interviews und angeblich falscher Spesenabrechnung, nach Autounfall und Knieverletzung ließ Hary am 1. Mai 1961 durch seinen Anwalt das Ende seiner nur dreijährigen Karriere verkünden. 1966 heiratete er die Tochter eines Gutsbesitzers, mit Christiana hat er zwei Kinder (Armin, Diana). Beruflich versuchte sich der gelernte Feinmechaniker in vielen Sparten. Am Ende hat Sprinter Hary immer die Kurve gekriegt.

sid ho ab

(sid)
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