Zustände "nicht olympiareif" Rios Schmutzwasser wird für Athleten zur Gefahr

Rio de Janeiro · Rios verschmutzte Gewässer sind vor dem Olympia-Start auch bei den ambitionierten deutschen Kanuten und Ruderern beherrschendes Thema. Die hineinlaufenden Abwässer sind aber nicht das einzige Problem in der eigentlich so malerischen Lagune Rodrigo de Freitas.

Segel-Gewässer in Rio völlig verdreckt
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Foto: afp, YC/ms

Sie sollen bei Olympia reihenweise Medaillen einfahren, doch kurz vor dem Startschuss bereitet Rios Schmutzwasser den deutschen Renn-Kanuten und Ruderern erhebliche Sorgen. "Solche schlechten Bedingungen habe ich bei Olympia noch nie erlebt, das kann ich ohne Einschränkung sagen", echauffierte sich Kanu-Bundestrainer Reiner Kießler über die Zustände in der Lagune Rodrigo de Freitas.

Es gilt als fraglich, ob die brasilianischen Organisatoren noch rechtzeitig Besserung schaffen können in dem Gewässer, das eigentlich so malerisch im Schatten des Corcovado mit der Christus-Statue nahe des berühmten Stadtteils Copacabana liegt. Immer wieder kommt es in der idyllischen und rund 2,5 Quadratkilometer großen Lagune zu dramatischem Fischsterben - aus der Umgebung und von angrenzenden Hügeln fließen über mehrere Zuflüsse oft Abwässer hinein. Über einen Kanal ist die Lagune mit dem Atlantik verbunden, wodurch sich das Wasser zumindest immer wieder "erneuert".

Es fehlt ein Klär- und Abwassersystem

Die Olympia-Veranstalter haben sich zuletzt bemüht, das Problem etwas in den Griff zu bekommen. Mit Spezialreinigungsbooten wurde versucht, Müll zu bergen und die Wasserqualität zu verbessern - ähnlich wie in der riesigen Guanabara-Bucht im Zentrum, wo gesegelt wird. Aber Umweltschützer sprechen von rein kosmetischen Maßnahmen, es fehle ein flächendeckendes Klär- und Abwassersystem. Schwierig wird es vor allem bei Regen, wenn aus angrenzenden Stadtteilen und Favelas viel hereingespült wird. Die Lagune liegt etwa einen Kilometer von den Atlantikstränden entfernt, umgeben von großen Wohnkomplexen.

So sieht es im Olympischen Dorf aus
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Foto: ap, LC

Wer das Wasser hier trinkt oder wem Wasser in den Mund gespritzt wird, der kann krank werden. "Dann wird's gefährlich. In solchen Momenten wird's einem unwohl", sagte London-Olympiasiegerin Franziska Weber, die im Kajak-Zweier über 500 Meter zusammen mit ihrer Partnerin Tina Dietze erneut olympisches Gold anpeilt.

Wasserkontakt kaum zu verhindern

Dabei ist Wasserkontakt sowohl beim Rudern als auch beim Paddeln normalerweise üblich und kaum zu verhindern. "Es wird nicht möglich sein, dass man kein Wasser abkriegt. So sauber kann man nicht fahren", urteilte Hans Gruhne, Schlagmann des Ruder-Doppelvierers: "Ich hoffe trotzdem, dass es halbwegs erträglich ist. Dass es vielleicht auch in den Tagen, in denen wir da sind, nicht regnet."

Die Sportler wollen alles versuchen, um die Risiken einer Erkrankung zu minimieren. "Wir dürfen nicht aus Flaschen im Boot trinken, weil die mit dem Schmutzwasser in Kontakt kommen", sagt Lisa Schmidla, Schlagfrau des Ruder-Doppelvierers der Frauen. Kanute Marcus Groß, der zusammen mit Teampartner Max Rendschmidt als Favorit im Kajak-Zweier über 1000 Meter gilt, predigt Disziplin: "Es ist wichtig, dass man sich die Hände gut wäscht und alles reinigt." Alles in allem sei die Lagune "nicht olympiareif", konstatierte er.

Dreck nicht das einzige Problem

Und der Dreck ist nicht mal das einzige Problem in der Lagune. Obendrein haben die Athleten auch mit unterschiedlichen Wassertiefen und wildem Pflanzenwuchs zu kämpfen, wie Testwettkämpfe im Olympia-Vorfeld offenbart haben. "Wer eine Schlingpflanze erwischt, ist zum Verlieren verurteilt. Das ist ein ganz ekliges Gras, beim Testwettkampf sind mehrere Gräser in die Steuer gekommen und haben die Athleten beeinträchtigt", berichtete Kießler: "Es wird ganz schwierig, hier reguläre Bedingungen herzustellen."

Ob die Notmaßnahmen der Rio-2016-Organisatoren ausreichen, um halbwegs olympiareife Bedingungen zu schaffen, wird sich wohl erst am 6. August zeigen. Dann stehen die ersten Vorläufe der Ruderer an.

(old/dpa)
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