Frankfurt Der letzte Herrscher über die D-Mark

Frankfurt · Hans Tietmeyer schrieb den Scheidungsbrief für Schmidts Koalition und kämpfte für einen anderen Euro. Nun starb er mit 85 Jahren.

Die Eiche dürfte noch Jahrzehnte an ihn erinnern. Westfälische Heimatfreunde haben sie ihm geschenkt. "Mit düsse Meidelske eick säg wie Di Danke", haben sie in Platt auf ein Schildchen gravieren lassen, das am Fuß der Eiche im Garten der Bundesbank angebracht ist. "Mit dieser Metelener Eiche sagen wir dir danke." Es war ein Dank für Hans Tietmeyers Standfestigkeit in der europäischen Geldpolitik. Er hat sich mit seinen Vorstellungen zwar nicht durchsetzen können, hat aber Recht behalten mit seiner Auffassung, dass eine Währungsunion allein nicht für Einheit sorgt, eher für Zwietracht. Die aktuellen Probleme mit überschuldeten und reformunwilligen Ländern wie Griechenland und Italien, die die Einheit kippen können, hat der ehemalige Bundesbankpräsident vorausgesehen. Wie die Euro-Krise ausgeht, wird er nicht mehr erleben: Tietmeyer ist am 27. Dezember mit 85 Jahren gestorben.

"Hans Tietmeyer war ein herausragender Präsident, dessen Handeln stets klaren und festen Linien mit dem Ziel der Geldwertstabilität folgte", sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Er war 1990 ins Bundesbankdirektorium eingetreten und von 1993 bis 1999 Präsident der Bundesbank. Am 1. Januar 1999 war der Euro offiziell eingeführt worden, wenn auch die ersten drei Jahre nur als Buch- und nicht als Bargeld.

Hans Tietmeyer kam aus Metelen im Münsterland. Er war das zweite von elf Kindern einer sehr katholischen Familie. Es dauerte etwas, bis er sich vom Einfluss der Familie befreien konnte und das Studium der katholischen Theologie durch das der Wirtschaftswissenschaften ersetzte. Seine Laufbahn begann 1962 als Beamter im Bonner Wirtschaftsministerium. Vier Jahre später stieg er zum Leiter der Grundsatzabteilung auf. Für den damaligen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff schrieb er 1982 wesentlich das Papier, das die konzeptionellen Unterschiede zwischen SPD und FDP in der sozialliberalen Wirtschaftspolitik benannte. Es stellte sich schnell als Scheidungsurkunde für die Koalition heraus. In der neuen Regierung unter Helmut Kohl wechselte Tietmeyer als Staatssekretär unter Gerhard Stoltenberg ins Bundesfinanzministerium.

Von da an hatte er viel mit der europäischen Währungsunion zu tun. In seinen Ämtern bei der Bundesbank zeigte er Distanz zu den Methoden, wie Kanzler Kohl Europa bauen wollte, nämlich über eine gemeinsame Währung. Die Verträge von Maastricht, die die Euroländer 1992 auf eine solide Haushaltspolitik festlegen sollten, trafen bei Tietmeyer auf Skepsis: "Geldwertstabilität ist zwar unerlässlich", sagte er immer wieder. "Aber sie ist nicht ausreichend für neue Wirtschaftsdynamik und mehr Beschäftigung, die wir so dringend benötigen." Als er 1999 aus dem Amt schied sagte er in Gegenwart des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder, es sei "mehr gefordert, insbesondere eine wirtschafts-, finanz- und sozialpolitische Rahmenordnung, die längerfristig kalkulierbar ist, Eigenleistung fördert und Innovationsbereitschaft bewirkt."

Tietmeyer hatte die "Krönungstheorie" vertreten: Die gemeinsame Währung sollte Endpunkt, nicht Startpunkt der europäischen Einigung sein. Er sah kommen, dass Staaten - wie in Griechenland geschehen - massive Probleme bekommen, weil sie ihre Währung nicht mehr abwerten können. Umso stärker sah er den Druck auf die Mitgliedsländer wachsen, den die gemeinsame Währung ausübte. "Der Euro ist keine Erlösungsformel für unsere internen wirtschaftlichen und sozialen Probleme", war Tietmeyer überzeugt. Die Chancen des Euro könnten nur genutzt werden, "wenn die Euroländer sich auch den neuen Herausforderungen stellen, und zwar konsequent und dauerhaft."

Das bleibt das immer noch aktuelle Vermächtnis des grundsatzfesten Westfalen.

(RP)
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