Frankfurt Europas Sparer müssen weiter leiden

Frankfurt · Die Europäische Zentralbank hält die Zinsen niedrig. Die Erträge der Banken bleiben unter Druck. Dass die nächsten der Volksbank Reutlingen folgen und Negativzinsen auch an Kleinsparer weitergeben, scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.

Für die Sparer in der Euro-Zone ist ein Ende der Leidenszeit nicht absehbar. Auch wenn jetzt immerhin klar ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) allmählich die Zinswende einleiten will, so bleiben die Erträge der Banken doch unter Druck. Das bedeutet auch, dass sie andere Wege suchen werden, um Kosten zu sparen, und dazu gehört seit Monaten das Drehen an der Gebührenschraube.

Auch die Weitergabe der Negativzinsen auf Kundeneinlagen könnte zunehmen. Jüngstes Beispiel ist die Volksbank Reutlingen. Sie droht laut Preisaushang Verbrauchern, die Geld bei ihr anlegen, mit Strafzinsen von 0,5 Prozent. Sowohl auf Guthaben auf dem Girokonto als auch ab 10.000 Euro auf dem Tagesgeldkonto. Momentan macht das Institut dies nach Angaben einer Sprecherin allerdings nicht wahr und verlangt tatsächlich keine Negativzinsen von seinen Privatkunden. Noch nicht.

Die Drohgebärde der Volksbank sehen manche Beobachter als einen ersten Test des Marktes. Bisher hatten die Banken die Erhebung von Negativzinsen auf institutionelle Anleger beschränkt. Einzelne Volksbanken und Sparkassen ziehen jedoch mittlerweile auch vermögende Privatkunden mit hohen, dreistelligen Einlagen heran und lassen sie darauf Strafzinsen zahlen.

Und in der Zinsflaute werden auch Kleinsparer zunehmend zur Belastung für die Finanzinstitute. Wichtigste Ertragsquelle der Banken und Sparkassen in Deutschland ist nämlich traditionell der Zinsüberschuss, also die Differenz zwischen dem, was die Institute auf der einen Seite zum Beispiel für Kredite kassieren und auf der anderen Seite ihren Kunden etwa als Sparzinsen zahlen. Weil die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen im Euroraum faktisch abgeschafft hat, brechen den Instituten Erträge weg. Zudem müssen Geschäftsbanken für Geld, das sie bei der EZB parken, 0,4 Prozent Strafzinsen an die Notenbank zahlen. Die Kosten dafür geben etliche Institute schon länger an Unternehmenskunden weiter. Zunehmend langen sie auch bei vermögenden Privatkunden zu: Nach Recherchen des Preisvergleichsportals Verivox sind seit Dezember 2016 acht Geldinstitute hinzugekommen. In der Regel werden Strafzinsen demnach aber nur für höhere Guthaben ab 100.000 Euro oder 500.000 Euro fällig.

An dem Phänomen dürfte sich in nächster Zeit nichts ändern. Denn die Zinsen im Euroraum bleiben vorerst niedrig. Zwar sind auch weitere Zinssenkungen vorerst ausgeschlossen. Aber EZB-Präsident Mario Draghi warnte vor übertriebenen Erwartungen auf ein schnelles Ende der Niedrigzinsen. "Ein außergewöhnliches Maß an geldpolitischer Unterstützung ist immer noch nötig", sagte Draghi nach der auswärtigen Sitzung des EZB-Rates in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Den Leitzins im Euroraum beließ der Rat auf dem Rekordtief von null Prozent. Für den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen will die Notenbank bis mindestens zum Jahresende weiter monatlich 60 Milliarden Euro aufwenden.

Immerhin sprach Draghi nicht mehr von Abwärtsrisiken für die Wirtschaft im Euroraum, die Wachstumsrisiken seien vielmehr ausgewogen. Mit diesen kleinen Änderungen in der Wortwahl schwenkt die EZB allmählich um - so interpretieren das zumindest die Beobachter der Geldpolitik. Vor allem die Formulierung, die Zinsen auf ihrem aktuellen Niveau zu belassen und eben nicht zu senken, wurde an den Finanzmärkten mit großer Aufmerksamkeit registriert.

Draghi verwahrte sich jedoch dagegen, dass der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik auch hinausgezögert werde, weil dann womöglich Italien ins Straucheln käme. "Unser Mandat ist das der Preisstabilität. Wir unterstützen nicht Staatshaushalte. Wir richten uns auch nicht nach Sparern oder der Profitabilität von Banken." Klare Worte.

(bsc/dpa)
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