Beschäftigung in Deutschland Rund 3,3 Millionen Arbeitnehmer haben mehrere Jobs

Berlin · Die Zahl der Menschen mit mehreren Jobs ist in den vergangenen Jahren deutlich auf rund 3,3 Millionen angestiegen. Mitte 2017 hatten laut Bundesagentur für Arbeit (BA) allein mehr als acht von hundert sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Minijob als Nebenjob.

Stress und Mehrfachbelastung im Job (Symbolbild).

Stress und Mehrfachbelastung im Job (Symbolbild).

Foto: tmn

2016 gab es bundesweit 3,13 Millionen Mehrfachbeschäftigte, im vergangenen Jahr waren es 3,26 Millionen. Das geht aus der Antwort der BA auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann hervor, wie die "Passauer Neuen Presse" berichtete.

Die Tendenz zu mehreren Jobs setzt sich seit Jahren fort. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für geringfügig entlohnte Beschäftigung im Nebenjob gelten seit 2003. 2004 waren 1,86 Millionen Menschen mit mindestens zwei Stellen registriert.

Insgesamt 2,73 Millionen Mehrfachbeschäftigte gingen neben einer sozialversicherungspflichtigen Stelle zuletzt mindestens einer zusätzlichen geringfügigen Beschäftigung nach. Zweithäufigste Kombination sind zwei sozialversicherungspflichtige Jobs.

Besonders Frauen haben einen Nebenjob

In Westdeutschland seien Minijobs als Nebenjob stärker verbreitet als im Osten, so die BA in einer aktuellen Broschüre. Besonders Frauen, Ausländer und Jüngere unter 25 Jahre gehen demnach einem Haupt- und einem gering bezahlten Nebenjob nach.

Oft werden laut BA Teilzeit und Minijob kombiniert - aus unterschiedlichen Gründen: "Beispielsweise war eine Vollzeitstelle nicht zu finden oder eine Vollzeitbeschäftigung kann wegen (familiärer) Verpflichtungen nicht ausgeübt werden." Zudem sei bei gleicher Stundenzahl Mehrfachbeschäftigung finanziell teils günstiger.

Zugleich hätten Beschäftigte mit Nebenjob, die im Hauptjob eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung ausüben, aber ein geringeres mittleres Monatseinkommen als alle sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten. Vor allem Frauen seien betroffen.

"Mehrere Jobs aus finanzieller Not"

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, sagte der "Passauer Neuen Presse": "Für immer mehr Beschäftigte reicht das Einkommen aus einem Job nicht mehr aus." Der überwiegende Teil dürfte aus purer finanzieller Not mehr als einen Job haben und nicht freiwillig, sagte sie.

Unterdessen gab es eine neue Bestätigung für den Trend, dass Arbeitnehmer zunehmend wegen Überlastung und Erschöpfung krankgeschrieben sind. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine weitere Anfrage der Linken hervor, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten.

Demnach stieg die Zahl der Fehltage von 2012 bis 2016 von 19,97 Millionen auf 30,53 Millionen im Jahr. Besonders stark gestiegen sind demnach die Zahlen bei Belastungs- und Anpassungsstörungen. 2012 fehlten Arbeitnehmer deswegen 10,5 Millionen Tage, 2016 waren es 16,9 Millionen. Für 2017 lagen noch keine Zahlen vor.

"Beschäftigte werden wie Verschleißteile behandelt"

"Arbeitgeber und Bundesregierung behandeln die Beschäftigten wie Verschleißteile", sagte Jutta Krellmann, Linken-Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit, den Zeitungen. Der Bundesregierung warf Krellmann vor, lieber über eine Lockerung des Arbeitszeitgesetzes nachzudenken, statt die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen.
"Das grenzt an Körperverletzung."

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) will eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns in Deutschland erreichen. "Damit man auch im Alter von seiner Rente leben kann, muss der Mindestlohn bei zwölf Euro liegen", sagte Tschentscher dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND/Montag). "Man kann Menschen nicht ein ganzes Leben arbeiten lassen und ihnen dann im Alter sagen: Geh doch zum Amt."

Seit Längerem fordert auch die Linke eine Erhöhung der derzeit bei 8,84 Euro liegenden Lohnuntergrenze auf zwölf Euro. Die Grünen sind für eine deutliche Erhöhung, ohne eine Zahl zu nennen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte zuletzt darauf hingewiesen, dass die unabhängige Mindestlohnkommission im Sommer Vorschläge für die Anfang kommenden Jahres geplante Erhöhung vorlege, "die wir dann gesetzgeberisch umsetzen".

Tschentscher sagte, wer Vollzeit arbeite und dafür 8,84 Euro die Stunde bekomme, werde nicht genug haben, um Kinder großzuziehen oder im Alter ohne staatliche Unterstützung auszukommen. "Das ist nicht vertretbar", sagte der SPD-Politiker.

Mit seinem Vorstoß zielt Tschentscher auf ein schrittweises Vorgehen.
"Wir werden in Hamburg den Anfang machen. Für alle öffentlichen Unternehmen wollen wir mit den Gewerkschaften Tarifverträge vereinbaren, die zu einem Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde führen.". Die Wertschöpfung in Deutschland reiche aus, um allen faire Löhne zu zahlen.

Bereits in seiner Bewerbungsrede für die Nachfolge des heutigen Bundesfinanzministers und Ex-Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) auf einem SPD-Landesparteitag hatte Tschentscher im März angekündigt, sich für einen Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde in den öffentlichen Unternehmen der Hansestadt einzusetzen.

(felt)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort