Düsseldorf Stärkstes Lohnplus seit 15 Jahren

Düsseldorf · Der deutschen Wirtschaft geht es gut, und davon profitieren nun auch viele Beschäftigte. Die Tarifgehälter steigen in diesem Jahr im Schnitt um 3,1 Prozent. Dank der niedrigen Inflationsrate macht sich das im Geldbeutel bemerkbar.

Viele Arbeitnehmer können sich in diesem Jahr über spürbar höhere Löhne freuen. Grund sind die hohen Tarifabschlüsse, die Gewerkschaften in diesem Jahr erzielt haben. Wie das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung gestern in seinem Halbjahresbericht mitteilte, steigen die Tariflöhne 2014 im Durchschnitt um 3,1 Prozent. Im vergangenen Jahr waren die Gehälter bereits um 2,7 Prozent gestiegen. Da gleichzeitig die Inflationsrate sehr niedrig ist (1,1 Prozent), werden sich die Lohnsteigerungen tatsächlich im Portemonnaie der Arbeitnehmer bemerkbar machen. "Die Tariflöhne werden in diesem Jahr nach Abzug der Inflation um etwa zwei Prozent steigen", sagt der Leiter des Tarifarchivs WSI, Reinhard Bispinck und ergänzt: "Einen so kräftigen Anstieg der Reallöhne gab es zuletzt 1999 vor dem Platzen der Internetblase."

Die Steigerung ergibt sich nach Angaben des WSI aus bereits abgeschlossenen Tarifverhandlungen und aus laufenden Tarifverträgen aus den Vorjahren. Die Grundlage für die Berechnung 2014 sind demnach Tarifverträge für insgesamt 16,5 Millionen Beschäftigte. Zuletzt hatte die IG Metall Anfang Juli noch für 75 000 Beschäftigte 2,3 Prozent mehr Gehalt verhandelt. Eine weitere Erhöhung um 1,7 Prozent gibt es ab dem 1. Mai 2015.

Die Lohnsteigerungen 2014 variieren stark je nach Branche. In den meisten Branchen wurden für dieses Jahr Tarifsteigerungen zwischen zwei und vier Prozent ausgehandelt. Am stärksten profitieren etwa die Mitarbeiter der Chemieindustrie. Dort beträgt das Lohnplus 3,7 Prozent. Und auch die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst von Bund und Gemeinden können sich über mehr Geld freuen (plus 3,4 Prozent). "Im öffentlichen Dienst sind es besonders die unteren Gehaltsgruppen, die von der Lohnsteigerung profitieren. Dort gibt es seit dem 1. März mindestens 90 Euro mehr pro Monat", erläutert WSI-Chef Reinhard Bispinck. Am schwächsten steigen die Löhne in der Energie- und Bergbauindustrie: Hier konnten die Gewerkschaften nur 1,3 Prozent mehr Gehalt heraushandeln.

Doch auch für nicht tariflich angestellte Arbeitnehmer könnten sich die Lohnsteigerungen auszahlen. So folgt etwa die Beamtenbesoldung der Gehaltsentwicklung im öffentlichen Dienst. Am langsamsten wachsen die Einkünfte ungelernter und angelernter Arbeitnehmer, die häufig in nicht tarifgebundenen Betrieben und Branchen aktiv sind. Doch auch hier orientieren sich viele Arbeitgeber am allgemeinen Lohntrend.

Trotz der positiven Entwicklung will die IG Bauen Agrar Umwelt noch nicht von einer Trendwende zu langfristig besseren Einkommen sprechen. Die Tarifverhandlungen stünden in diesem Jahr bereits stark unter dem Eindruck des kommenden gesetzlichen Mindestlohns, sagte IG-BAU-Chef Robert Feiger. Dies sei aber ein Einmaleffekt, so dass sich erst im kommenden Jahr zeige, ob die Reallohnentwicklung auf dem richtigen Weg sei. Ab 2015 gilt die gesetzliche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro. Viele Betriebe haben daher bereits jetzt ihre Löhne auf ein dem Mindestlohn ähnliches Niveau angehoben.

Auch für die kommenden Jahre rechnen Experten mit vergleichsweise hohen Tarifabschlüssen. Ein Grund sind die positiven konjunkturellen Aussichten der deutschen Wirtschaft. Die Bundesbank rechnet für dieses und die beiden kommenden Jahre jeweils mit einem Wirtschaftswachstum zwischen 1,8 und zwei Prozent. Hinzu kommt, dass qualifizierte Arbeitskräfte zunehmend knapp werden. Zudem steht zu Beginn des kommenden Jahres die Tarifverhandlung in der zentralen Industriebranche Metall und Elektro mit über 3,7 Millionen Beschäftigten an.

(RP)
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