Kolumne Kurt Von Storch Und dann fällt Geld vom Himmel

Vor der heutigen EZB-Sitzung fragen sich viele, was die Notenbank noch tun kann, um die Wirtschaft anzukurbeln. "Helikoptergeld" wäre eine Möglichkeit, um die Märkte zu beeinflussen.

Düsseldorf In vielen Industriestaaten haben die Notenbanken den Zins nahe der Nulllinie zementiert. Ihre ultralockere Geldpolitik ist ein gewaltiges Experiment. Sein Ausgang lässt sich nicht mit Gewissheit vorhersagen. Der Verlauf fasziniert und besorgt uns Anleger zugleich. Wir fragen uns, was die Notenbanken noch alles tun werden, um das globale Finanzsystem zu stützen und die Weltwirtschaft zu stabilisieren - und: Wird es am Ende reichen?

Auffallend ist, dass die jüngsten Notenbankmaßnahmen die Börsen kaum mehr beeindruckt haben. Das gilt zum Beispiel für die Ankündigung der Bank of Japan, Negativzinsen einzuführen. Vom Nullzins zum Strafzins - der Unterschied scheint niemanden mehr zu interessieren. Stattdessen wächst die Sorge, die Notenbanken könnten mit ihrem Latein am Ende sein. Um die Märkte zu beeindrucken, müssen offenbar weit radikalere Maßnahmen her.

Welche Möglichkeiten hat die Europäische Zentralbank (EZB)? Denkbar ist, dass sie in großem Stil Bankanleihen kauft, auch wenn uns ein solcher Schritt sehr gewagt erscheint. Realistischer wäre es, wenn die EZB Unternehmensanleihen aufkaufte. Das Problem dabei ist, dass dieser Markt nicht sehr groß ist, weil sich europäische Unternehmen, insbesondere die deutschen, größtenteils über Bankkredite finanzieren. EZB-Chef Mario Draghi müsste die europäischen Banken deshalb dazu drängen, mehr Kredite an Unternehmen zu vergeben, also direkt auf die Unternehmensfinanzierung Einfluss nehmen.

Wenn auch das nicht funktioniert, könnten die Notenbanker auf noch abenteuerlichere Ideen kommen, wie das "Helikoptergeld". Ben Bernanke, damals noch einfaches Mitglied des Zentralbankrates der US-Notenbank Fed, hat einen solchen Vorschlag bereits Anfang der 2000er Jahre gemacht, nachdem an den Börsen die Technologieblase geplatzt war. Aus dieser Zeit stammt Bernankes Spitzname "Helikopter-Ben". Erfunden wurde der Begriff Helikoptergeld allerdings von Milton Friedman, dem großen Geldtheoretiker, der meinte, im Notfall müsse man Geld aus Helikoptern abwerfen, um Deflation und Depression zu bekämpfen. Praktisch heißt das nichts anderes, als dass die Zentralbank selbst Geld unter die Leute bringt, weil es den Banken über die Vergabe von Krediten nicht gelingt. Dazu müsste die Zentralbank den Banken Zentralbankgeld auf ihren Konten gutschreiben und diese dann verpflichten, das Geld anteilig an ihre Kunden weiterzugeben. Unrealistisch? Wer weiß. Vor zehn Jahren hätten wir vermutlich auch gelacht, hätte uns jemand erzählt, dass der Zins für zehnjährige Bundesanleihen nahe null liegen, der für Schweizer Obligationen mit gleicher Laufzeit sogar negativ sein würde.

(RP)
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