Streit um 267 Lieder Paul McCartney will Rechte an Beatles-Songs zurück

Düsseldorf · Der 74-Jährige klagt gegen die Firma Sony, die die Verlagsrechte an den Kronjuwelen des Pop hält. Der Streit hat eine lange Geschichte.

The Beatles
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Das sollte man vorab vielleicht mal sagen, dass es Paul McCartney nämlich nicht so sehr um das Geld gehen dürfte. Der 74-Jährige gilt als reichster Musiker d

er Welt; Schätzungen zufolge beläuft sich sein Jahresverdienst auf etwa 200 Millionen Euro. Dass er Klage gegen den Konzern Sony einreichte, um seine Rechte an vielen Hits der Beatles zurückzubekommen, hat also andere Gründe. Er möchte einen Kreis schließen und alles selbst in der Hand halten. Er möchte die Deutungshoheit über sein Werk haben, um sein Vermächtnis der Nachwelt übergeben zu können.

Der Streit um 267 Lieder wie "Let It Be" und "All You Need Is Love", die man sowohl vom künstlerischen als auch ökonomischen Wert als Kronjuwelen des Pop bezeichnen darf, hat eine lange Geschichte. Die Beatles lagen schwer miteinander im Clinch, es lief drunter und drüber, als 1969 Geschäftspartner ihres gerade verstorbenen Managers Brian Epstein mehr oder weniger heimlich die Firma Northern Songs, den Musikverlag der Beatles, an die Firma ATV verkauften. McCartney wollte den Deal verhindern, kam aber zu spät. Diese Niederlage hat er nie verwunden.

Autoren und Verlag haben Mitspracherecht

Nun ist wichtig zu wissen, dass es damals wie heute ausschließlich um die Verlagsrechte an den Liedern ging. Sie haben einen geringeren Wert als die Autorenrechte, die McCartney und John Lennon behielten. Wenn im Radio "Yesterday" gespielt wird, fällt ein bestimmter Betrag an. Davon gehen 60 Prozent an die Autoren, also Texter, Komponisten und Bearbeiter, und 40 Prozent an den Verlag, der so etwas wie die Administration der Urheber ist, aber eigenständig handeln kann. Wenn Entscheidungen gefällt werden, etwa darüber, ob ein Song in der Werbung oder als Soundtrack in einem Film benutzt werden darf, haben sowohl Autoren als auch Verlag ein Mitspracherecht.

Die Firma ATV bot den Beatles-Katalog 1985 zum Verkauf an. Damals waren Paul McCartney und Michael Jackson gute Freunde, sie hatten die Lieder "Say, Say, Say" und "The Girl Is Mine" gemeinsam veröffentlicht, und McCartney hatte Jackson den väterlichen Rat gegeben, sich Rechte an Songs zu sichern, die seien das wahre Gold. Jackson hielt sich an den Rat, er kaufte sich etwa den Titel "New York, New York", und dann tat er etwas, das die Freundschaft mit McCartney zerstörte: Er griff nach den Beatles-Songs. McCartney wollte sie selbst haben, er soll fünf Millionen Dollar geboten haben, Jackson bekam sie schließlich für rund 50 Millionen. Auch dieser Betrag ist von heute aus betrachtet eine kleine Nummer, wenn man bedenkt, dass die Beatles zwei Milliarden Tonträger verkauft haben. Jackson und McCartney sprachen fortan nicht mehr miteinander.

Jackson brachte die Verlagsrechte dann Mitte der 90er Jahre in die Firma Sony/ATV ein, an der er zur Hälfte beteiligt war. Als Jackson 2009 starb, hieß es, er habe in seinem Testament verfügt, dass die Beatles-Rechte zurückgehen sollen an McCartney. Das stimmte aber nicht; McCartney hat das in Interviews klargestellt, woran man neuerlich merkte, wie sehr ihn all das schmerzte. Jacksons Erben verkauften die Rechte im vergangenen Jahr für 750 Millionen Dollar an die Firma Sony, die nun Alleinbesitzer ist.

In den USA ist es so, dass die Rechte von Songs, die vor dem Jahr 1976 veröffentlicht wurden, nach 56 Jahren an den Urheber zurückgehen. Das heißt, McCartney würde im kommenden Jahr die Rechte am frühesten Song "Love Me Do" zurückerhalten, danach bis zum Jahr 2026 die an den übrigen Stücken. Da er aber bereits 2008 Kontakt zu Sony aufgenommen hat, um sicherzustellen, dass diese Rückgabe tatsächlich reibungslos verläuft, aber laut seinen Anwälten keine befriedigende Antwort bekam, befürchtete McCartney Ungemach und reichte Klage ein. Es geht ihm vor allem darum, dass der Fall in den USA verhandelt wird. Denn nach völlig anders gearteter englischer Rechtslage wären seine Chancen, die Songs wiederzubekommen, viel geringer. Das Verfahren könnte wegweisend werden, die verkniffene Reaktion des Konzerns lässt nämlich den Schluss zu, dass man die Rechte gern behalten würde: Man sei enttäuscht, heißt es, McCartney sei voreilig gewesen. Davon, dass die Rechte selbstverständlich zurückgehen, liest man nichts.

Die Beatles für die Zukunft rüsten

Wenn McCartney die Songrechte zurückbekäme, würden sie nach seinem Tod noch 70 Jahre bei seinen Erben liegen. Und darum geht es ihm: die Musik der Beatles für die Zukunft zu rüsten. Das entspricht seinem Selbstverständnis seit dem Tod von George Harrison 2001. Man darf nicht vergessen, dass er bis tief in die 90er Jahre damit haderte, stets als der Kitsch-Beatle betrachtet zu werden. Er wollte für sein Solowerk geschätzt werden, und wie verspannt er damals war, zeigt sein Bestreben, man möge nicht von Lennon/McCartney-Kompositionen sprechen, sondern bitte von McCartney/Lennon-Schöpfungen.

Auch wenn es sich für einen Künstler von diesem Rang komisch anhört, aber McCartneys Rolle bei den Beatles wurde lange unterschätzt. Allmählich erfuhr die Welt aber, dass nicht Lennon die psychedelische Wende mit Stücken wie "Tomorrow Never Knows" (1966) und "Sgt. Pepper" ('67) eingeleitet hat, sondern McCartney. Er machte mit Produzent George Martin aus der Lümmelband die Erfinder des Erwachsenenpop. Er überführte den notorisch gegenwartsverliebten Pop in die Zeitlosigkeit, und er fädelte avantgardistische Großtaten ein wie das leere Cover zum "White Album" (1968), das der Künstler Richard Hamilton gestaltete.

Seitdem man all das weiß, ist McCartney gelassener. Er hat den Job als Museumsdirektor des Pop angenommen. Er verwaltet mit Selbstironie das Repertoire der Fab Four und tradiert die mehr als 50 Jahre alten Lieder in die Gegenwart. Er arbeitet mit Rihanna und Kanye West zusammen und weist auf diese Weise nachfolgende Generationen auf den Ursprung hin, auf die Ur-Erzählung des Pop. Sie handelt von vier Freunden, die die Welt erobert und bunt angemalt haben.

(hols)
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