Düsseldorf Emotionale Momente eines Regierungschefs

Düsseldorf · Nach der Wahl zum Ministerpräsidenten muss Laschet (CDU) sich erst einmal sammeln. Seinen neuen Platz findet er nicht auf Anhieb.

Armin Laschet ist der neue NRW-Ministerpräsident 2017
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Armin Laschet ist neuer NRW-Ministerpräsident

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Foto: dpa, ve sab

Ein kleines bisschen wackelt die Stimme dann doch. Armin Laschet, der gerade gekürte und vereidigte neue Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, tritt ans Rednerpult. Er dankt den 100 Abgeordneten, die ihn wählten. Er wendet sich an seine Vorgängerin Hannelore Kraft, überreicht ihr in einer überraschenden Geste einen Blumenstrauß und dankt auch ihr "für den Wettstreit um die besten Konzepte". Der sei hart in der Sache, aber niemals persönlich verletzend gewesen. All das geht ihm routiniert über die Lippen, als wäre er es im Geiste schon hundertmal durchgegangen.

Dann aber ist seine Familie an der Reihe. Sie alle sind heute erschienen, seine Frau Susanne, Vater Heinz, die Kinder. Er schaut kurz nach oben zu ihnen auf die Zuschauertribüne und muss ein wenig um Fassung ringen: "Danke, dass ihr mich gestützt habt, als es mal etwas schwierig war", sagt er dann. Die Familie sei ihm stets ein verlässlicher, kritischer Kompass gewesen.

"Etwas schwierig" war es für Armin Laschet schon sehr oft in seiner politischen Karriere. Wie der tragische Held in einem Drama hatte er Rückschlag um Rückschlag wegstecken müssen, bevor die CDU am 14. Mai 2017 endlich zur stärksten Kraft in NRW gewählt wurde. So zäh haftete Laschet das Verlierer-Image an, dass ihm noch kurz vor dem Wahltag kaum jemand den Sieg zugetraut hatte. Allenfalls als Juniorpartner einer großen Koalition in NRW sahen ihn die meisten. Doch nun hat er es allen gezeigt.

Als Landtagspräsident André Kuper das Ergebnis verkündet, wirkt Laschet dennoch gefasst. Es ist, als hätte auch die Bürde des Amtes ihn schon erreicht. Freundlich nimmt er die Glückwünsche von Hannelore Kraft entgegen, die als Erste gratuliert, dabei ein Geschenk überreicht. Und er registriert ruhig den Jubel, die Standing Ovations und das rhythmische Klatschen seiner Parteifreunde.

Die Ministerpräsidenten von NRW seit 1946
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Die bisherigen Ministerpräsidenten von NRW

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Foto: dpa/Michael Kappeler

Seit fast 40 Jahren ist er CDU-Mitglied, doch die Partei war nicht immer gut zu ihm. Lange sah es so aus, als würde Laschet einer jener Politiker werden, denen es beschieden ist, immer in der zweiten Reihe zu stehen. Als er 2010 für das Amt des Vorsitzenden des CDU-Landesverbandes NRW kandidierte, nachdem Jürgen Rüttgers die Wahl verloren hatte, unterlag er in einer Mitgliederbefragung dem Gegenkandidaten Norbert Röttgen. Zwei Jahre später, als auch Röttgen gegen Hannelore Kraft verloren hatte, trat Laschet als neuer Vorsitzender der NRW-CDU an. Seine Parteifreunde aber hatten noch immer Vorbehalte: Nur 77 Prozent stimmten für ihn.

Das alles ist heute vergessen. Die 100 möglichen Stimmen von CDU und FDP hat er bekommen, maximaler Rückhalt. Alles andere zählt nicht. Die Unterstützung der 16 AfD-Abgeordneten, die vermutlich allesamt ungültige Stimmen abgaben, wird er kaum vermisst haben. Dass es in der geheimen Wahl aber auch zwei Enthaltungen womöglich aus den Reihen von SPD und Grünen gab, kann Laschet durchaus als Erfolg werten. Auch sie hätten ja mit Nein stimmen können.

Seit der NRW-Wahl vor gut sechs Wochen scheint der 56-Jährige von Tag zu Tag an Format zu gewinnen. Unverzüglich nahm Laschet einen staatsmännischeren Habitus an, er legte sich eine leicht salbadernde Sprechweise zu, die entfernt an Johannes Rau erinnert. Gemessenen Schrittes tritt er auch heute in das Rund des Landtages, um seinen Amtseid abzulegen. Dem fügt der gläubige Katholik wenig überraschend die Formel "so wahr mir Gott helfe" an.

Zügig hatte Landtagspräsident Kuper zuvor an diesem Dienstagnachmittag durch das Protokoll geführt. Hatte zunächst Tagesordnungspunkt (TOP) eins, die Wahl des Ministerpräsidenten, und dann wenig später TOP zwei, die Vereidigung, aufgerufen. Und doch waren Laschet die Minuten des Wartens offenkundig lang geworden. Immer wieder schaut er auf seine Uhr, wendet sich an FDP-Chef Christian Lindner. Wie Vertraute wirken die beiden, die in den vergangenen vier Wochen die Koalitionsverhandlungen recht reibungslos hinter sich brachten. Nicht wenige meinen, dass Laschet den schwierigsten Part im Umgang mit seinem Koalitionspartner damit schon hinter sich habe. Denn Lindner wird sich in den nächsten Wochen vor allem um die Bundestagswahl kümmern. Und sein künftiger Stellvertreter Joachim Stamp gilt als verträgliche Natur.

Wer sonst noch ins Kabinett einrückt, wird sich jetzt schnell erweisen. Morgen soll es vorgestellt werden. Aus Sorge, Parteifreunde zu verprellen, hatte Laschet die Bekanntgabe dem Vernehmen nach auf die Zeit nach seiner Wahl zum Regierungschef verschoben. Am Freitag dann sollen auch die Minister vereidigt werden.

Nicht nur in der Koalition sind sie voller Erwartung, auf wen es hinausläuft. Auch in den bisher rot oder grün geführten Ministerien steigt die Spannung. Für viele Spitzenbeamte geht es um die berufliche Zukunft. Manch einer wird am Freitag vorsorglich eine Klapp-Kiste mitbringen, in der er seine Habseligkeiten unterbringt, um im Zweifel sein Büro schnell räumen zu können. Nach allem, was zu hören ist, wollen CDU und FDP kein Risiko eingehen - und lieber mehr denn weniger Stellen in den höheren Hierarchieebenen neu besetzen.

Heute aber hat Laschet noch keine Eile. "Was für ein Amt, was für eine Ehre, aber auch was für eine Verantwortung", beginnt er seine Antrittsrede. Er freue sich, dem Land dienen zu dürfen. "Zuhören. Entscheiden. Handeln", das solle die Amtszeit prägen. Er werde die besten Köpfe und Argumente zusammenbringen, verspricht er. Und auch ein Signal an die politischen Gegner sendet er noch: "Der Grundsatz der fairen Auseinandersetzung - voller Respekt, bei allen Unterschieden - soll die politische Kultur unseres Landes auch in den nächsten Jahren prägen."

Ein wenig Üben muss Laschet aber doch noch. Nach Ende der Rede kehrt er auf seinen alten Platz in der Fraktion zurück - aus alter Gewohnheit. Erst als der Landtagspräsident seinen Blick sucht und ihn auf den Fauxpas aufmerksam macht, setzt er sich dahin, wohin er künftig gehört: auf die Regierungsbank.

(RP)
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