Hintergrund Kein Grund zum Feiern: Friedensdorf wird 50

Dinslaken · Die Arbeit der Organisation bleibt eine Gratwanderung. Finanzielle Bilanz für 2016 ist zufriedenstellend.

 Große Freude beim Wiedersehen in Angola: Mütter begrüßen ihre Kinder, die zur Behandlung in Deutschland waren.

Große Freude beim Wiedersehen in Angola: Mütter begrüßen ihre Kinder, die zur Behandlung in Deutschland waren.

Foto: Friedensdorf

Dinslaken/Oberhausen Das Friedensdorf hat in den fast 50 Jahren seiner Existenz nicht nur in der näheren Umgebung Freunde gefunden - in ganz Deutschland und besonders in Japan kann die Hilfsorganisation für Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten auf treue Unterstützer zählen. Dennoch muss die Einrichtung jedes Jahr aufs Neue kämpfen.

"Eine Gratwanderung", wie Leiter Thomas Jacobs bei der Jahres-Pressekonferenz betonte. Das zeigte sich auch 2016: Die Spendeneinnahmen gingen um 366. 000 Euro zurück - das sind zehn Prozent. Dass die Organisation dennoch ein "zufriedenstellendes Bilanzergebnis" aufweisen kann, liegt an einem besonders großen Nachlass aus Japan.

Jedes Jahr benötigt die Organisation 6 bis 6,5 Mio Euro an Spenden für die drei Arbeitsgebiete Einzelfallhilfe, Projekte und Bildungsarbeit. Den Rückgang der Spenden führt Jacobs auf das Engagement vieler Bürger für Flüchtlinge zurück. Das sei auch bei den Kleiderspenden deutlich zu spüren gewesen. Er hofft im laufenden Jahr wieder auf steigendende Spendenfreudigkeit.

2017 wird aufgrund des 50-jährigen Bestehens auf jeden Fall ein besonderes Jahr. Der Geburtstag wird am 8. Juli im Rahmen des Sommerfestes "Peace im Pott" gewürdigt. Einen Festakt wird es nicht geben. "Das stünde uns nicht gut zu Gesicht", meint Jacobs. Es soll eine Gedenkveranstaltung werden, zu der Zeitzeugen wie der ehemalige Leiter Peter Stöbe oder frühere Dorfbewohner, die nach dem Ende des Vietnam-Krieges nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten, eingeladen werden.

Damals, weiß Thomas Jacobs, der seit 1981 bei der Hilfsorganisation arbeitet, wäre das Dorf beinahe gescheitert - denn es musste die Verantwortung für fast 100 vietnamesische Kinder übernehmen. Das hatte Konsequenzen für die weitere Arbeit: Von den Partnern wird heute eine Rückkehrgarantie für die Kinder erwartet - auch wenn sie zum Beispiel aus Afghanistan oder Gaza kommen. "Das ist schließlich ihr Zuhause", sagt Jacobs.

Egal, wie schwierig die Bedingungen in der Heimat sind, die Kinder freuen sich, wenn sie nach monatelanger Behandlung in Deutschland die Heimreise antreten können. "Dann ist richtig Party im Bus", weiß Jacobs, der 2009 die Nachfolge des verstorbenen langjährigen Leiters Roland Gegenfurtner antrat.

Rückblickend auf 2016 stellt Thomas Jacobs fest, dass die Bedingungen für die Einzelfallhilfe schwieriger geworden sind. 170 Kliniken unterstützten 2016 das Friedensdorf mit 284 Krankenhausfreibetten, das sind sieben Kliniken weniger als 2015. Auch die Verweildauer auf den Stationen verringert sich stetig.

Grund sei der steigende Kostendruck in den Häusern ebenso wie Fusionen oder Schließungen. Die Folge ist steigender pflegerischer Aufwand für das Friedensdorf. Vermehrt werden auch Kinder in Fachkliniken verlegt, die auf einer Kostenerstattung bestehen. Zwischen 2014 und 2016 hat die Organisation dafür mehr als 458 000 Euro aufbringen müssen.

Abnehmende Tendenz stellt die Hilfseinrichtung auch bei den bundesweit 200 bis 300 Ehrenamtlern fest, besonders bei der langfristigen Mithilfe. Jacobs: "Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir an die junge Generation herantreten, um sie für das Ehrenamt zu begeistern."

Dank der relativ stabilen finanziellen Situation konnte das Friedensdorf die Projektarbeit erweitern. Damit wird die gesundheitliche Versorgung in den Heimatländern der Kinder verbessert. Ein Schwerpunkt ist Kambodscha, wo sich beispielsweise bereits die 29. und die 30. Basisgesundheitstation für die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung im Bau befinden.

Mit großer Effizienz arbeitet die Kinderhilfsorganisation auch in Usbekistan, wo im Rahmen von vier Projekten Operationen an Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten sowie orthopädische, plastisch-chirurgische und Herz-Operationen durchgeführt werden.

Etwas verbessert hat sich auch die Situation bei den Hilfsgütern: Knapp 113 Tonnen Medikamente, Gehhilfen, Hygieneartikel und Lebensmittel wurden 2016 in die Projektländer gebracht. Zwar hat sich die Spendenfreudigkeit bei den Sachspenden nicht wirklich verbessert, doch der Wert der Lieferungen erhöhte sich durch eine Spende hochwertiger Medikamente von "action medeor".

(RP)
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