Analyse Düsseldorf bleibt Daimler-Stadt

Düsseldorf · Trotz Abbau von 665 Stellen kommen die Mercedes-Mitarbeiter vergleichsweise glimpflich davon. Ein Sieg der IG Metall.

Die Kundgebungen der IG Metall legten das Daimler-Werk im September kurzerhand still. Die Produktion kam zum Erliegen.

Die Kundgebungen der IG Metall legten das Daimler-Werk im September kurzerhand still. Die Produktion kam zum Erliegen.

Foto: Andreas Endermann

Ein Job im Daimler-Werk, das galt seit Jahrzehnten als sichere Bank. Bei Mercedes zu arbeiten, dem Autobauer mit dem Stern, erfüllte die Männer und Frauen mit Stolz. In Düsseldorf entsteht seit den 90er Jahren der Transporter Sprinter. Der ist gleichzeitig Namensgeber und unangefochten Marktführer seiner Klasse. Nicht durch den Preis, sondern durch seine Qualität. Das prägt die Identität der Arbeiter am Daimler-Band. Stellenabbau, den kannte man im Rather Werk in jüngerer Zeit nicht. Selbst in der Wirtschaftskrise 2008/2009 konnte die Stammbelegschaft gehalten werden. Mochte Opel Bochum untergehen oder Ford in Köln wanken, das Daimler-Werk schien den Mitarbeitern wie eine feste Burg. Bis zum 18. September 2014. Überraschend gab die Stuttgarter Konzernzentrale Überlegungen bekannt, Sprinter für den US-Markt in einem neuen Werk in den USA zu bauen. Die IG Metall fürchtete um 1800 der 6600 Jobs in Düsseldorf. Ein Alptraum für die stolzen Daimler-Werker. Sie machten Kundgebungen, die das Werk ganze Tage stilllegten. Ein Streik ist ihnen zurzeit nicht gestattet.

Mitte Oktober fiel in Stuttgart die Entscheidung. Das US-Werk wird gebaut. Es folgten zähe Verhandlungen und auch Tricksereien. Um etwa das Streikverbot zu umgehen und dennoch ein Zeichen zu setzen, meldeten sich viele Arbeiter für Stunden bei der Beschwerdestelle des Betriebsrates. Das kann ihnen der Arbeitgeber nicht verwehren. Und dass dies manchmal mehrere Hundert Arbeiter gleichzeitig machten, sei zwar ungewöhnlich, könne aber halt zufällig passieren, meint Betriebsrat Bernd Kost. Doch für die Ausfallzeiten zahlt Daimler keinen Lohn. Der Betriebsrat rechnet mit zahlreichen Einzelklagen.

Ende vergangener Woche gelang zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Einigung. 665 Arbeitsplätze fallen zwar weg, betriebsbedingte Kündigungen aber sind bis 2020 ausgeschlossen. Wer freiwillig geht, kann auf eine hohe Abfindung hoffen. Mehr als 230 Mitarbeiter sollen sich schon gemeldet haben, heißt es vom Betriebsrat.

Der und die IG Metall haben erstaunlich viel herausgeholt. Die Zahl der Azubis steigt, obwohl sie gesenkt werden sollte. "Die Fertigungstiefe bleibt erhalten", sagt Helmut Bauer, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Konkret heißt das: Sogar die Auspuffanlagen werden von Daimlerarbeitern gefertigt. Andere Automobilhersteller haben das längst an preiswertere Fremdfirmen vergeben. Auch die Logistik bleibt in Daimler-Hand. 450 Jobs hängen daran. Und den größten Coup landeten die Gewerkschafter in letzter Minute. "Daimler garantiert die Marktzusage für Düsseldorf auch nach 2020", sagt Nihat Öztürk, Chef der Düsseldorfer IG Metall. Das heißt, dass der alle europäischen und einige außereuropäische Märkte auch beim nächsten Sprintermodell von Düsseldorf aus und nicht etwa aus den preiswerteren USA beliefert werden.

Mitarbeiter anderer Firmen, die Stellen streichen, dürften fast schon neidisch auf die Daimler-Kollegen blicken. Zwar werden Jobs gestrichen, aber selbst Sonntags- und Nachtzuschläge sowie den Tarifvertrag tastet Daimler nicht an.

Trotz der Einigung ist ein Riss zwischen Belegschaft und Daimler entstanden. Markige, abschätzige Worte finden die Betriebsräte für ihre Chefs. Auch nach der recht komfortablen Lösung. "Wir haben immer hundert Prozent gegeben, tagelang durchgearbeitet. Das Werk ist profitabel", sagt Bernd Kost und meint damit, dass diese Zugeständnisse verdient sind.

Eines hat der Konflikt um das Daimler-Werk gezeigt. In der Metallbranche haben Gewerkschaften noch die Macht vergangener Zeiten. Der Organisationsgrad ist so hoch wie in den 1970er Jahren. Wenn in Dienstleistungsunternehmen heute ein Arbeitskampf droht, dann ziehen die IT-Arbeiter für eine Stunde mit Trillerpfeifen vor die Tür, dann wird weiter gearbeitet. Wenn das gleiche in einem Autowerk passiert, stehen alle Räder still.

Auch wenn Jobs verlorengehen. Dieser Konflikt endete mit einem gefühlten Sieg der IG Metall.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort