Interview: Andreas Rimkus "Ein liberaler Geist passt in unsere Stadt"

Düsseldorf · SPD-Chef sieht den Ampel-Vertrag als Gemeinschaftswerk mit sozialliberalen Elementen. Der Kompromiss beim Wohnen ist für Rimkus kein Sieg von FDP und Grünen. Und Parteifreund Thomas Geisel musste auch er erst in der OB-Rolle kennenlernen.

 SPD-Chef Andreas Rimkus rechnet mit einer deutlichen Zustimmung der Parteibasis zum Ampel-Vertrag am 27. Oktober.

SPD-Chef Andreas Rimkus rechnet mit einer deutlichen Zustimmung der Parteibasis zum Ampel-Vertrag am 27. Oktober.

Foto: Andreas Bretz

Herr Rimkus, seit mehr als einer Woche liegt der Ampel-Vertrag auf dem Tisch. Am 27. Oktober entscheidet Ihre Parteibasis darüber. Schon Reaktionen bekommen?

Rimkus Ja, durchweg positive. Gut ausgehandelt, sozialdemokratische Handschrift, Spiegel der Bürgergesellschaft und Aufbruchstimmung in der Stadtverwaltung - das waren in etwa die Kommentare.

Am Verhandlungstisch saßen auch Grüne und FDP. Wie viel SPD steckt denn drin?

Rimkus Reichlich. Es ist natürlich ein Gemeinschaftswerk. Wir haben bei den Sondierungen übereinandergelegt, wo wir uns einigen können, und es gab ein hohes Maß an Übereinstimmung. In den Verhandlungsrunden hat sich gezeigt, wenn wir die Konflikte der vergangenen Jahre beenden, steht der Ampel nichts im Wege. Wir können miteinander und wollen das sechs Jahre lang. Und ich bin besonders stolz darauf, dass es die SPD war, die das Angebot für diese Verhandlungskonstellation gemacht hat. Dies war möglich, weil unser OB-Kandidat Thomas Geisel mit 60 Prozent klar gesiegt hatte und die SPD einen Gestaltungsauftrag erhielt.

Wie schwer war es, die Misstöne der Vergangenheit, vor allem aus der FDP, zu vergessen?

Rimkus Anfangs war das schwierig. Weil bei den Sondierungen intensiv diskutiert wurde und nicht klar war, was nach außen dringt. Das war ein guter Lackmustest für die Verlässlichkeit. Wir hatten eine klare Situation: Die SPD hat zugelegt und ist auf der Basis ihres Programms auf die Grünen und die FDP zugegangen, um Gemeinsamkeiten zu suchen. Es hat wirklich gut funktioniert. Was auch daran lag, dass zwischen SPD und Grünen die Inhalte relativ schnell klar waren und wir dann auf dieser Basis die FDP eingeladen haben. Grünen-Chefin Mona Neubaur hat bei den Gesprächen hervorragend moderiert, Frau Strack-Zimmermann hat auf eine sehr produktive Weise inhaltlich zugespitzt und die Gespräche nach vorne gebracht.

Wo genau findet sich die SPD im Vertrag wieder?

Rimkus Eindeutig beim bezahlbaren Wohnen, bei der Stärkung von Bus, Bahn und Rad sowie einer aktiven Wirtschaftspolitik und der Hinwendung zu den Stadtteilen. Über allem schwebt die stärkere Bürgerbeteiligung.

Aber bei Ihrem Kernthema Wohnen, das auch im Zentrum des OB-Wahlkampfs stand, haben Sie sich nicht mit Ihrer Forderung nach mindestens 30 Prozent sozial gefördertem Wohnraum durchgesetzt. Warum haben Sie sich die Butter vom Brot nehmen lassen?

Rimkus Das ist falsch. Im Raum stand, 30 Prozent sozial gefördert vorzuschreiben und 70 Prozent dem freien Markt zu überlassen. Jetzt haben wir eine Regelung, die sogar 40 Prozent sozial geförderten und bezahlbaren Wohnraum ermöglicht.

Das entspricht aber genau dem Handlungskonzept, das von CDU, Grünen und FDP beschlossen und von der SPD abgelehnt wurde ...

Rimkus Das Handlungskonzept ist die Basis, die aber nun weiterentwickelt werden wird. Unsere Bedingung ist, dass der darin enthaltene 20-prozentige preisgedämpfte Bereich (Miete bis 8,50 Euro pro Quadratmeter, d. Red.) für die Mieter endlich auch spürbar durchsetzbar sein muss. Bei sozial gefördertem Wohnbau kann der Mieter den niedrigen Preis einklagen, bei dem preisgedämpften Segment noch nicht. Sollte das zukünftig nicht funktionieren, wird die SPD auf einen höheren sozial geförderten Anteil hinwirken.

Also haben Sie den Grünen und der FDP die Butter vom Brot genommen?

Rimkus Nein, alle werden satt. Den Grünen und der FDP war es wichtig, auf der Basis des Handlungskonzepts zu diskutieren. Unser gemeinsames Ziel ist es, mindestens 40 Prozent bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Wird das Kooperations-Konzept nicht konterkariert, wenn OB Geisel bei der Immobilienmesse Expo doch die 30-Prozent-Quote für sozial geförderten Wohnbau verkündet?

Rimkus Nein. Denn Thomas Geisel pocht auf Rechts- und Planungssicherheit, auch für Investoren. Ihm vorzuwerfen, dass er auf der Immobilienmesse über bezahlbare Wohnungen spricht, zeigt, dass die CDU nichts dazu gelernt hat. Die Kooperation ist von den Parteien unterschrieben worden, der OB unterstützt die Ziele und Grundlagen der Ampel, kann aber auch eigene Akzente setzen.

Ohne Mehrheit im Rat kann er jedoch nichts durchsetzen ...

Rimkus So ist es in der Demokratie. Ich erwarte vom OB, dass er Investoren, die von sich aus über das Handlungskonzept hinausgehen wollen, nicht die Tür versperrt. Es gibt Investoren, die einen Anteil von 40 oder 50 Prozent sozial geförderten Wohnungsbau realisieren wollen.

Teilnehmer hatten den Eindruck, Geisel sei neben seiner Partei, der SPD, eine eigene Kraft am Verhandlungstisch. War es für Sie schwer mit drei Verhandlungspartnern?

Rimkus Nein. Ich freue mich doch, dass wir mit sehr starken Persönlichkeiten vertreten waren, die genau wussten, was sie wollten. Mich freut auch, dass wir einen starken OB haben, der etwas voranbringen will und eigene Ideen formuliert. Sie dürfen nicht vergessen: Niemand wusste, wie Thomas Geisel als OB sein würde. Ich wusste nur, dass er ein netter Kerl und ein Macher ist. Als OB mussten wir ihn alle erst kennenlernen.

Sie haben sich überraschend gut mit der FDP verstanden. Wie sozialliberal ist denn die Düsseldorfer SPD?

Rimkus Auch das spiegelt sich im Kooperationspapier wider: Transparenz, Bürgerbeteiligung, Toleranz, Bürgerrechte - das sind ja programmatische Bestandteile der SPD. Umgekehrt ist das Soziale an der Düsseldorfer FDP, dass sie weiß, dass man alle Menschen in dieser Stadt am Wohlstand teilhaben lassen muss. Das ist in den Gesprächen klar geworden. Ein liberaler Geist passt in unsere Stadt, und die Ampel verkörpert genau das.

Falls die Ampel nicht sechs Jahre hält: Kommt es dann zur Großen Koalition oder doch zu Schwarz-Grün?

Rimkus Darüber denke ich keine Sekunde nach. Die SPD geht diese Ampel nicht ein, um anderes zu verhindern. Ich gehe fest davon aus, dass die Kooperation zwischen SPD, FDP und Grünen die gesamte Ratsperiode halten wird.

Aber in Berlin regieren Sie doch ganz gut mit der CDU ...

Rimkus Wir haben eine Koalition, es gibt Reibereien und Dinge, die funktionieren. Die SPD ist immer bereit, Verantwortung zu übernehmen.

Mit welcher Mehrheit wird die SPD-Basis am 27. Oktober dem Kooperationsvertrag zustimmen?

Rimkus Ich gehe davon aus, dass die Delegierten unser Ergebnis deutlich unterstützen, denn die Inhalte stimmen.

DENISA RICHTERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(dr)
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