Büste in Brandenburg gestohlen Düsseldorf hilft bei Heines Ost-Rückkehr

Düsseldorf · In Brandenburg wurde eine Büste des Dichters gestohlen. Nun werden Spenden für ein neues Denkmal gesammelt.

Natürlich war der Schreck über mögliche Schuld unbegründet. Doch ein klein wenig verstehen kann man Christian Liedtke schon, wenn er den Fall "unheimlich" nennt und "kurios". Denn kaum hatte der Heine-Experte bei der Erforschung aller Denkmäler des Düsseldorfer Dichters auch die Bronze-Büste in Brandenburg inspiziert und die dortige Denkmalpflegerin um eine Foto gebeten, da war das Kunstwerk auch schon "verschwunden" - also geklaut. Und da es nicht sonderlich gut gesichert war, hatten die Diebe wenig Arbeit.

Auch dürfte es sich bei den Tätern kaum um Heine-Leser gehandelt haben, wie die Ordnungshüter vermuteten. So dürfte der Bronzewert der 25 Kilogramm schweren Büste zur Freveltat ermutigt haben: der soll nämlich bei 8000 bis 10.000 Euro liegen.

So weit, so traurig - und so fern, wie es scheint. Doch Heine-Denkmäler sind in Düsseldorf niemals fern. Nicht nur, weil hier der Dichter im Dezember des Jahres 1797 als Harry Heine das sogenannte Licht der Welt erblickte. Die Stadt am Rhein hatte selbst zu lange ein angespanntes Verhältnis zum Dichter und somit auch zu seiner Verehrung. Bisweilen war die Ablehnung auch antisemitisch motiviert. So kam es, dass die ersten Heine-Denkmäler nicht in seiner Heimatstadt aufgestellt wurden, sondern an kuriosen Orten. Die österreichische Kaiserin und Heine-Liebhaberin machte mit der steinernen Verehrung 1891 den Anfang und verewigte den Dichter vor ihrer Sommer-Residenz auf Korfu. Die Düsseldorfer aber verweigerten sich weiterhin, so dass der Kaufmann Robert Visser zwei Jahre nach Korfu im Kongo eine weitere Heine-Säule aufstellte. Auch mit einem ansehnlichen Loreley-Brunnen wollte es in Düsseldorf nicht klappen, gleichwohl sich extra ein Denkmal-Comité gegründet hatte. Das Denkmal wanderte gewissermaßen aus und steht seit 1897 in einem Park der New Yorker Bronx.

Angesichts der bislang 47 Heine-Statuen in zehn Ländern gäbe es noch viele Anekdoten und Skandale zu erzählen. Das jüngste Kapitel aber wurde - wie gesagt - in Brandenburg geschrieben. Die Porträtbüste hatte der Bildhauer Karl Mertens geschaffen. Und dass sie im Jahr 1960 dort aufgestellt wurde, entsprach dem Geist von Zeit und Land. Die DDR hatte - wie zuvor schon Lenin - Heine als Revolutionär entdeckt und ihn als literarisches Sprachrohr des Arbeiter- und Bauernstaates vereinnahmt. Dazu sollten die Verse auf dem Sockel dienen, eine Passage aus "Deutschland. Ein Wintermärchen": "Seitdem du uns verlassen hast, / Hat manches sich hier verwandelt,/ Es wuchs ein junges Geschlecht heran / Das anders fühlt und handelt." Dass diese Zeilen ironisch gemeint waren, entzog sich der streng sozialistischen Lesart. Heine war eben ihr Kämpfer; dementsprechend unerschrocken lässt der Dichter seinen Blick in die Ferne schweifen.

Heine wurde also keineswegs durch bürgerschaftliches Engagement auf den Sockel gehoben, sonden war eine Sache der Obrigkeit beziehungsweise der Stadtväter Brandenburgs. Sie platzierten ihn an die Havel-Promenade, die einst nach ihrem Stifter Spitta-Ufer hieß und jetzt ebenfalls den Namen des Düsseldorfers trägt.

Doch da ein Heine-Ufer ganz ohne Heine irgendwie unbefriedigend ist, regte sich alsbald der Geist des Wiederaufbaus. Ein neuer Guss sollte her. Und dabei hilft jetzt auch Düsseldorf - allen voran Christian Liedtke, Heine-Biograph und Archivar der Landeshauptstadt. Er sprach jüngst im "Gotischen Haus" in Brandenburg zum Auftakt der Spendenaktion über Heine-Denkmäler in aller Welt. Ziel der Stadtverwaltung ist es, mit Heinrich Heine einen "verschwundenen Sohn der Stadt" zurück an die Havel zu bringen. Das ist selbst kundigen Heine-Forschern neu, denn belegt ist nur ein Dichter-Aufenthalt in Potsdam.

Info Spendenkonto für ein neues Denkmal: Stadt Brandenburg an der Havel; Kontoinstitut: Mittelbrandenburgischen Sparkasse; IBAN DE55 1605 0000 3611 6600 26; BIC WELADED1PMB; Verwendungszweck: 213828-41-16006-Spende

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