Düsseldorf Puppenspiel auf der Müllhalde

Düsseldorf · Zur Eröffnung des Westwind-Festivals zeigte der brasilianische Puppenspieler Duda Paiva in "Bastard" eine düstere Utopie. Das Stück ist seltsam, grotesk, verstörend - hält aber auch zärtliche Momente bereit.

 Duda Paiva agiert mit außergewöhnlichen Bühnenpartnern: Gemeinsam mit seinen Gummipuppen erschafft er eine abstrakte und bizarre Zukunftswelt. Das Westwind-Publikum applaudierte heftig.

Duda Paiva agiert mit außergewöhnlichen Bühnenpartnern: Gemeinsam mit seinen Gummipuppen erschafft er eine abstrakte und bizarre Zukunftswelt. Das Westwind-Publikum applaudierte heftig.

Foto: Westwind

Es war alles etwas anders bei der Eröffnung des Westwind-Festivals, des 31. Theatertreffen in Nordrhein-Westfalen für junges Publikum. Christof Seeger-Zurmühlen, künstlerischer Leiter des Jungen Schauspielhauses, begrüßte die Redner fast poetisch, wie ein Zirkusdirektor mit eigener Kapelle. Kulturministerin Ute Schäfer und Oberbürgermeister Thomas Geisel fassten sich kurz und wiesen auf die Bedeutung hin, die das Theater für ein junges Publikum erlangt hat. Wobei die Ministerin es doch vorzog, sich nicht zu den in Zurmühlens Begrüßung erwähnten "Re-animierten" oder "von der Liebe Lädierten" zu zählen, sondern doch lieber zu den "Engagierten".

Die Lädierten sollten im folgenden Eröffnungsstück zu ihrem Recht kommen. Das bestritt der brasilianische Puppenspieler Duda Paiva mit seinem "Bastard". Und was für eine seltsame, groteske, verstörende Welt tat sich dort auf! Auf einer Müllhalde gelandet ist ein junger Mann (Paiva), er weiß weder, wie er dorthin gekommen ist, noch wie er von dort wieder wegkommen soll.

Es ist eine fremde, seltsame und neue Welt, in der er sich zurechtfinden muss. Er trifft auf eine halb nackte alte Frau ohne Beine, eine der biegsamen, lebensgroßen Gummipuppen, die zu Paivas Markenzeichen geworden sind. Dass sich die Alte ausgerechnet als Tänzerin entpuppt, ist nur eine der Besonderheiten in dieser seltsamen Welt. Und dass sich der junge Mann als Künstler vorstellt, sorgt bei ihr für einen Lachanfall der gruseligen Art. Danach verlangt sie mit britischem Akzent, er möge doch bitte Tee zubereiten.

Das Stück basiert auf dem Roman "Der Herzausreißer" von Boris Vian, einem Spezialisten für das Absurde und Abseitige, für absurde Strampelversuche in einer grausamen Welt. Manchmal mutet "Bastard" an, als hätten sich Franz Kafka und David Lynch für ein Puppenspiel zusammengetan.

Bald taucht der titelgebende "Bastard" auf, eine weitere ziemlich verstörende Puppe. In welchem Verhältnis er zur Tänzerin steht, weiß das Publikum nicht. Aber auf dieser Müllhalde sind Logik und Rationalität ohnehin außer Kraft gesetzt.

Den Lädierten fehlt etwas: Beine, Liebe, Heimat, eigentlich vieles. Und doch gibt es in diesem versehrten Universum Augenblicke ungeahnter Zärtlichkeit, wenn der Künstler der Tänzerin seine Beine leiht und die Welt für eine Weile nicht mehr aus den Fugen scheint. Es entsteht ein magischer Realismus voller Poesie. Auch eine Katze aus Stoff bringt heitere Momente in die düstere Story. Dafür wird es am Ende umso verstörender. Da gebiert die Tänzerin ein Kind - das sich als neuer "Bastard" herausstellt.

Besonders bemerkenswert, wie Paiva den Tanz mit seinen unbelebten Partnern einsetzt, wie er eine Welt einrichtet, in der alles möglich ist. "Indem ich mit Objekten tanze, erzähle ich Geschichten", sagt Paiva über seine Arbeit. "Geschichten über Menschen, ihre Träume, ihre Ängste, ihre Suche nach Liebe." Aber es ist in vielerlei Hinsicht schon eine beklemmende Aussicht: die Welt als große Müllkippe. Großer Beifall für den Meister der Puppen.

Umrahmt wurde die stimmungsvolle Eröffnungsfeier von der jugendlichen Experimentierwerkstatt "Alles Palette" und dem Duo Meg'n'Jazz mit dem Sohn des Toten-Hosen-Drummers Vom Ritchie.

(RP)
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