Düsseldorf "Wir müssen den Jazz aus dem Ghetto holen"

Düsseldorf · Bei der 21. Jazz Rally, die an diesem Freitag startet, tritt der Publizist und Moderator Roger Willemsen gegen die Vorhersehbarkeit und das Jazz-Klischee an. Zu seiner Musik soll geküsst werden.

Hörlustige sind es, auf die Roger Willemsen trifft, wenn er auflegt. Leute, die Lust auf Jazz haben. Auch wenn sie vielleicht noch gar nicht genau wissen, was das sein soll — Jazz. Oder die altvertraute Stücke wiederhören, sich korrigieren lassen, Neues entdecken wollen.

Es wird also eine Art Lehrstunde, die Willemsen für seinen Auftritt bei der Jazz Rally am Sonntag, 19. Mai, vorbereitet hat: "Ein akustischer Dia-Vortrag. Das klingt natürlich schon ur-altmodisch. Ist es auch tatsächlich. Es wird einen Tisch geben und einen Stuhl. Und mich, der ich dann sage: ,Hört mal her, das ist meine Lieblingsmusik'."

Zu jedem Stück erzählt der Publizist und Moderator eine Geschichte. "Und dann fangen die im Saal eigentlich auch immer schon an zu knutschen." Ach ja? "Ja, das ist eine ganz besondere Stimmung, die da entsteht." Das Altmodische werde poppig, die Leidenschaft des Jazz-Hörers Willemsen überträgt sich auf sein Publikum. Im besten Fall passiert dann irgendetwas mit den Zuhörern.

"Ich werde nach Düsseldorf eine Mixtur aus entlegenen Klassikern und neuen Entdeckungen mitbringen. Dazu hemmungslos subjektive Sachen. Das kann beispielsweise das Stück eines äthiopischen Polizeiorchesters aus den 60er Jahren sein", sagt Willemsen. Rasante, leise, fast religiöse Musik — alles sei dabei. Und trotzdem gehe es ihm auch ums Gefallen. "Ich möchte niemanden verstören, ich möchte Brücken bauen zum Jazz. Ich rede an diesem Abend nicht zur Jazz-Kirche. Die wissen ja eh alle Bescheid."

Vorstellen kann man sich Roger Willemsen, der im NDR seit Jahren die Musiksendung "Roger Willemsen legt auf — Klassik trifft Jazz" moderiert und dort jeweils ein Stück der beiden Gattungen gegenüberstellt, sehr gut als Lehrer. Als einen von der leidenschaftlichen Sorte. Er kann schwärmen von der Kraft, die Jazz hat. Einmal befragt, legt er sofort los.

Und weil Willemsen ein Mann ist, der sich nicht vor großen Worten fürchtet, hört sich die Antwort auf die Frage, was Musik leisten muss, um bei ihm zu funktionieren, so an: "Sie muss eine gewisse Form von Wahrhaftigkeit haben. Sie darf nicht verkitscht sein. Sie muss gemischte Gefühle transportieren und auslösen. Ich glaube ohnehin nur an gemischte Gefühle. Deshalb funktioniert auch so etwas wie ein Britney-Spears-Lied bei mir nicht."

Die Urkraft des Improvisatorischen, die Tatsache, dass der Zuhörer von Jazz immer auch Zeuge der Entstehung von Jazzmusik mit all ihren Strukturen und Elementen ist, das fasziniere ihn an der Musik. "Das ist ein großes Element der Freiheit. Jazz bringt immer eine hohe Unvorhersehbarkeit mit sich."

Und als Moderator will Roger Willemsen der Musik selbst etwas von dieser Freiheit zurückgeben: "Das Bild des vollbärtigen Religionlehrers, der Pfeife rauchend Jazz hört — davon müssen wir wegkommen. Aus diesem Ghetto muss Jazz herausgeholt werden."

Das versuchen immer wieder auch alle anderen Künstler: Die 21. Jazz-Rally startet am Freitag, 17. Mai. Unter der Schirmherrschaft von Klaus Doldinger und der künstlerischen Leitung von Ali Haurand und Nils Gropp werden bis zum 19. Mai 82 Konzerte auf 36 Bühnen zu sehen sein.

Unter anderem mit dabei sind Lucas Graham (Freitag, 17. Mai, 20.30 Uhr, Konzertzelt Burgplatz), Max Mutzke (Sonntag, 19. Mai, 20.30 Uhr, Burgplatz) und Xavier Naidoo, dessen Konzert am Freitag jedoch bereits ausverkauft ist. Roger Willemsen tritt am Sonntag, 19. Mai, von 17.30 bis 19 Uhr auf der Rheinterrasse, Joseph-Beuys-Ufer 33, auf.

Tickets Der "Jazz Rally"-Button (inklusiv Preview 16. Mai bis 19. Mai) kostet 29 Euro im Vorverkauf und 35 Euro an der Abendkasse. Der "Jazz Rally"-Button für den Sonntag kostet 25 Euro. Dieser Button ist nur gültig in Verbindung mit dem jeweiligen Tagesbändchen. Kinder bis 14 Jahren haben freien Eintritt (Ausnahme Sonderkonzert).

Alle weiteren Infos zur Jazz Rally in Düsseldorf gibt es im Internet unter www.duesseldorfer-jazzrally.de

(RP/ila)
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