Duisburg Pfarrer will das Vergessen nicht zulassen

Duisburg · Dirk Sawatzki hat mit einer Predigt zum 9. November so viel Eindruck gemacht, dass er dafür einen Preis bekommen hat. Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sind für ihn aktuelle Themen.

 Pfarrer Dirk Sawatzki, hier mit der Vikarin Sarah Süselbeck (vorne) und seiner Ehefrau Ute, hat für eine seiner Predigten die "Silberne Taube" erhalten, einen Preis, den Verlag der Deutschen Wirtschaft verleiht. <strong>

Pfarrer Dirk Sawatzki, hier mit der Vikarin Sarah Süselbeck (vorne) und seiner Ehefrau Ute, hat für eine seiner Predigten die "Silberne Taube" erhalten, einen Preis, den Verlag der Deutschen Wirtschaft verleiht. <strong>

Foto: Archiv&lt;/strong&gt;

Die Predigt, die Pfarrer Dirk Sawatzki am 9. November des vergangenen Jahres in der Buchholzer Jesus-Christus-Kirche hielt, beeindruckte die Besucher des Gottesdienstes, der anlässlich der Eröffnung der Kreissynode stattfand, in besonderem Maße. Pfarrerin Katrin Holdmann war von der Predigt ihres Kollegen so stark beeindruckt, dass sie der Meinung war, dass diese Predigt auch anderen zugänglich gemacht werden sollte und empfahl sie dem "Verlag der Deutschen Wirtschaft", der seit dem Jahr 2000 deutschsprachige Prediger für besonders beeindruckende und gelungene Predigten auszeichnet. Der Verlag würdigt bei der Preisvergabe Predigten, die "in besonderer Weise dem aktuellen Dialog zwischen Kirche, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft dienen".

Die Predigt des Pfarrers der Duisburger Trinitatis-Gemeinde war eine von mehr als 300, die die ökumenisch besetzte Jury, die sich aus Theologinnen und Theologen sowie Publizisten zusammensetzt, zu bewerten hatte. Zur "Goldenen Taube", mit der jeweils die beste Predigt gewürdigt wird, reichte es nicht ganz. Aber Dirk Sawatzkis Beitrag kam immerhin unter die besten fünf und wurde mit der "Silbernen Taube" ausgezeichnet.

Dirk Sawatzki nahm den besonders geschichtsträchtigen und belasteten 9. November zum Anlass, um unter der Überschrift "Gedenke" die Erinnerung an die schlimmen Verbrechen, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft gerade auch der jüdischen Bevölkerung angetan wurde, unter ganz besonderen und auch ungewöhnlichen Aspekten zu betrachten. Dabei bezog er sich auf eine bemerkenswerte Aussage der 1943 in Israel geborenen und seit 1968 in Deutschland lebenden Edna Brocke, die bis 2011 die Begegnungsstätte der alten Synagoge in Essen leitete und jetzt als Lehrbeauftragte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität tätig ist.

Edna Brocke hatte mit der Aussage, "es müsse endlich Schluss sein, das Gedenken an diesem Tag ausschließlich auf den Nationalsozialismus zu fixieren", für Aufsehen gesorgt. Die Essenerin wollte damit mit Sicherheit nicht den "ewig Gestrigen das Wort reden", sondern auf Entwicklungen gerade bei der jüngeren Generation in Israel hinweisen, die mit alten traditionellen Gedenktagen anders umgehe als die Generationen zuvor.

"Man will sich heute wieder dem Leben zuwenden und nach vorn blicken", zitiert der Buchholzer Pfarrer die Lehrbeauftragte Erna Brocke. Dirk Sawatzki machte in seiner Predigt klar, dass das Gedenken der Nachfolger der Opfer jedoch niemals das gleiche wie das der Nachfolger der Täter sein könne und mahnte: "Das Gegenteil von Erinnern ist das Vergessen". Wenn das geschehen würde, "hätten die Mörder ihr Ziel erreicht". Der Buchholzer Pfarrer machte aus seiner Sicht deutlich, dass das Erinnern nicht erst mit dem 9. November 1938 beginnen dürfe; an diesem Tag sei nur die Saat aufgegangen, die viele Jahrhunderte zuvor, nicht zuletzt durch Christen und Kirchen, ausgestreut worden sei. Heute gelte es, gegen jede Form des Antisemitismus wachsam zu sein. Dirk Sawatzki schloss seine Eindruck hinterlassende Predigt mit den Worten, dass trotz der notwendigen Erinnerung der Blick auch nach vorne gerichtet sei, es gäbe jetzt auch "eine Gegenwart, eine Zukunft...trotz allem, was geschehen sei".

Dirk Sawatzki hat nach seinem Abitur zu Beginn an der Ruhr-Universität in Bochum studiert. Den Hauptteil seines Theologie-Studiums hat der gebürtige Essener jedoch in Tübingen absolviert. Der 52-Jährige hat sich auch mit den Kommunikationswissenschaften beschäftigt, denn in seinem Beruf sei es schon wichtig "wie man eine Botschaft rüber bringt". Dirk Sawatzki, der sich in der Trinitatis-Gemeinde die Wedauer Pfarrstelle mit seiner Frau Ute teilt, bereitet seine Tätigkeit als Pfarrer viel Freude. "Jeder Tag ist anders", schildert er seine vielfältige seelsorgerische Arbeit. Allein die Vorbereitung auf eine Predigt nimmt zehn bis zwölf Stunden in Anspruch. Rund 30 Predigten hält Dirk Sawatzki im Jahr.

Themen für seine Predigten gebe es genug, erklärte der für die Wedauer und Bissingheimer Gemeindemitglieder zuständige Pfarrer, der seit 1990 in der Trinitatis-Gemeinde tätig ist und seit 1993 die Pfarrstelle in Wedau innehat und fügt hinzu: "Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, findet man genug Anregungen". Vorgefertigte Predigt-Textbausteine sind nicht sein Ding, im Gegenteil. "Ich brauche diese Anregungen von außen", erklärt Dirk Sawatzki und ergänzt, dass es ihm viel Freude macht, für seine Predigten zu recherchieren und dabei "immer wieder Neues kennenzulernen". Wichtig sei ihm, dass seine Predigten immer einen gesellschaftlichen Bezug haben. Dabei stehen die "Bewahrung der Schöpfung" und die "Gerechtigkeit" im Mittelpunkt.

In der Christ-Vesper am Heiligenabend setzte er einen Schwerpunkt zum Thema "Asylsuchende", die bei uns Schutz vor Verfolgung und Not und in Anlehnung an die Weihnachtsgeschichte Schutz und "eine Herberge" suchen. Gerade in Wedau ist der Umgang mit diesen Menschen, die in dem kürzlich eingerichteten Wohnheim an der Masurenallee untergebracht werden, ein aktuelles Thema.

Privat macht der Vater dreier mittlerweile erwachsener Kinder (zwei Töchter, ein Sohn) gerne Urlaub in Israel und schätzt dort besonders die zahlreichen freundschaftlichen Begegnungen und Gespräche. Anlässlich der Israel-Aufenthalte sucht er bei dieser Gelegenheit gerne die alten biblischen Orte auf, "allerdings jenseits des sonst üblichen Pilger-Tourismus". Dirk Sawatzki ist stark beeindruckt von der Landschaft, die oftmals "in hunderten von Jahren unverändert erscheint. So muss es damals auch ausgesehen haben", beschreibt er nachdenklich seine Eindrücke von der Hügellandschaft rund um den See Genezareth.

(RP)
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