Goch Mehr als 50 Erdbeben in Goch gespürt

Goch · Für einen Aufsatz in der Fachzeitschrift "Natur am Niederrhein" haben Wissenschaftler historische Quellen auf der Suche nach Berichten über Erdbeben in Goch ausgewertet. Das Ergebnis: Relativ regelmäßig vibriert hier die Erde.

 Die Karte zeigt das Erdbeben in Goch am 8. September 2011. Die unterschiedlich gefärbten Punkte machen deutlich, dass das Beben unterschiedlich heftig in ganz Nordrhein-Westfalen gespürt wurde.

Die Karte zeigt das Erdbeben in Goch am 8. September 2011. Die unterschiedlich gefärbten Punkte machen deutlich, dass das Beben unterschiedlich heftig in ganz Nordrhein-Westfalen gespürt wurde.

Foto: Aufsatz

Es ist acht Uhr morgens, als am 18. Februar 1756 in Goch die Erde bebt. Menschen laufen in Panik auf die Straße, die Turmglocken läuten von alleine, etliche Schornsteine stürzen ein. Es ist nur das erste einer ganzen Reihe von Beben, die in den kommenden Tagen folgen sollen. Auch wenn das Epizentrum zwischen Aachen und Düren liegt - die Gocher Bürger spüren die Auswirkungen des heftigen Bebens, das mit sechs Kilometern in der Sekunde in Richtung Niederrhein gerast war, mehr als deutlich.

 Das Epizentrum von 2011 an der Driesbergstraße in Goch.

Das Epizentrum von 2011 an der Driesbergstraße in Goch.

Foto: eve

Es ist 21.02 Uhr, als am 8. September 2011 die Erde in Goch bebt. Auch hier laufen die Menschen verschreckt auf die Straße. Obwohl das Epizentrum mitten in Kessel liegt, bleiben größere Schäden dieses Mal aus. Mit modernster Technik misst das Deutsche Geoforschungszentrum eine 4,6 auf der Richterskala, korrigiert später auf 3,7. Beide Ereignisse werden diejenigen, die es erlebt haben, wohl nicht mehr so schnell vergessen. Es sind aber nur zwei Beispiele von dutzenden Erdbeben, die in den vergangenen Jahrhunderten in Goch verspürt wurden.

 Klaus Lehmann, Hans-Joachim Koepp und Stefan Kronsbein präsentieren die Ergebnisse der Forschungen.

Klaus Lehmann, Hans-Joachim Koepp und Stefan Kronsbein präsentieren die Ergebnisse der Forschungen.

Foto: GOTTFRIED EVERS

Stefan Kronsbein und Klaus Lehmann waren den Beben der Gocher Geschichte zwei Jahre lang auf der Spur. Ihre Ergebnisse haben sie jetzt in dem Aufsatz "Nachrichten über verspürte Erdbeben in Goch" in der Zeitschrift "Natur am Niederrhein" (28. Jahrgang, Heft 2, 2013 - ISSN 0930-6935) veröffentlicht. Sie kommen zu einem stattlichen Ergebnis. "Wir zählen derzeit eine Gesamtanzahl von 51 Beben, die in Goch verspürt wurden", sagt Stefan Kronsbein. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwei Fälle: Erdbeben, die ihr Epizentrum bei Goch hatten - wie das im Jahr 2011 - und solche, die hier nur verspürt worden sind. Der größte Teil. Der Zeitschriften-Aufsatz datiert dabei den ersten Fall auf 1346 - damals sei es im Gelderland zusätzlich zu dem Beben zu einer Missernte gekommen, berichten die Chroniken. "Das Beben von 1756 fehlte bisher in den offiziellen Katalogen. Weil wir jetzt die Nachweise gefunden haben, wird es aufgenommen", sagt Stefan Kronsbein. Ein wichtiger Partner bei dem Projekt war Stadtarchivar Hans-Joachim Koepp. "Seine Stadtgeschichte hat uns außerordentlich geholfen. Goch ist deutlich belegstärker als etwa Kleve", meint Stefan Kronsbein. Bei dem nun vorgestellten Aufsatz handele es sich aber nicht nur um Publikationswut oder ein persönliches Steckenpferd betonen die beiden Autoren. "Je mehr historische Erdbeben erforscht werden, desto besser können wir aktuelle und zukünftige einschätzen", sagt Stefan Kronsbein.

Diplom-Physiker und Co-Autor Klaus Lehmann vom Geologischen Dienst NRW unterstreicht den aktuellen Bezug der Arbeit. "Wenn Staudämme, Chemie- und Atomkraftwerke gebaut werden, müssen wir Stellung zur Erdbebengefährdung nehmen", erklärt er. Im Gegensatz zum Aachener Raum, wo Architekten schon beim Entwurf der Gebäude besondere Erdbebenmaßnahmen berücksichtigen müssen, ist der nördliche Niederrhein allerdings kein regelrechtes Gefahrengebiet. "Durchschnittlich kommt es alle hundert Jahre zu einem starken Beben, bei dem Schäden auftreten", sagt Klaus Lehmann. Wohlgemerkt: Bei dem Beben von 2011 ist es zu keinen Schäden gekommen. Wie heftig es auch hier wackeln könnte, haben aber Untersuchungen zu vorgeschichtlicher Zeit ergeben. So hat es am Niederrhein in vorgeschichtlicher Zeit ein Beben mit der Stärke von 7 gegeben. Zum Vergleich: Das große Beben im vergangenen Jahr auf den Philippinen, bei dem mehr als 110 Menschen ums Leben kamen, hatte eine Stärke von 7,2. "Wir wollen Erdbeben auch am nördlichen Niederrhein besser aufzeichnen können. Deswegen wollen wir hier auch neue Stationen aufstellen", sagt Klaus Lehmann.

(RP)
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