Kevelaer Farbkonzept hilft der Kevelaerer Tafel

Kevelaer · Mit der Flüchtlingswelle stießen die Ehrenamtler an ihre Grenzen. Ein von der Uni Osnabrück ausgearbeiteter Abgabemodus brachte Ruhe. Gerne dürften jetzt noch mehr Menschen die Dienste der Tafel in Anspruch nehmen.

 Hanni Hentmann, Christiane Rademaker und Wilfried Binn (von links) sind von dem neuen Konzept der Tafel überzeugt.

Hanni Hentmann, Christiane Rademaker und Wilfried Binn (von links) sind von dem neuen Konzept der Tafel überzeugt.

Foto: Gerhard Seybert

Ein fachmännischer Blick reicht. "Paprika sind zu wenig für heute", sagt Hanni Hentemann. Sie steht bei der Kevelaerer Tafel hinter der Ausgabetheke. Es gab auch Tage, da standen die Ehrenamtler hinter der Theke und mussten mit den Schultern zucken und sagen: "Wir haben nichts mehr."

"Wir sind kein Versorger, wir sind nur Unterstützer", macht Wilfried "Fred" Binn von der Kevelaerer Tafel deutlich. "Wir als Tafel-Leute dürfen überschüssige Lebensmittel vor der Vernichtung bewahren und weitergeben", fasst er das Konzept in Kurzform zusammen. Das ist aber nicht allen klar. Von "extremen Engpässen" spricht Binn, als die Flüchtlingswelle kam. "Die Flüchtlinge dachten, wir sind Vollversorger", sagt Hanni Hentemann. "Sie dachten, wir sind eine staatliche Organisation", ergänzt Binn. Bis die Tafel-Leute deutlich machen konnten, dass es sich um eine ehrenamtliche Arbeit handelt, das dauerte. Und voll sei es gewesen. "Das war beängstigend", sagt Binn über die Situation vom Herbst 2015 bis Februar 2016. Vor allem junge Männer aus verschiedensten Ländern drängten auf einmal zur Tafel. "Es sind alles nette Kerle", sagt Binn. "Die sind auch echt dankbar", betont Hanni Hentemann. Aber gedrängelt wurde trotzdem. "Die haben auch schon auf ihrer Flucht drücken müssen", zeigt Ehremamtlerin Christiane Rademaker Verständnis. "Dazu kam die Sprachbarriere", sagt Hanni Hentemann.

Plötzlich blieben Familien weg, die früher regelmäßig die Tafel besucht haben. Eine Lösung musste her. "Weil viele Tafeln das Problem hatten, das waren nicht nur wir allein, entwickelten Studenten der Universität Osnabrück ein Konzept", sagt Binn. Bunt ist die Lösung. Die Ausgabe wurde mittels Farbkarten, die einer bestimmten Personengruppe zugeordnet werden, entzerrt. Familien und Einzelpersonen mit einer roten Karte kommen dienstags zur Tafel. "Rot", das seien Einzelpersonen mit einer Behinderung, einer Krankheit oder "ältere Herrschaften", die nicht mehr so lange stehen können, erklärt Hanni Hentemann. Donnerstags kommen Einzelpersonen mit gelber, oranger, pinkfarbener und blauer Karte. Jede Farbkarte kommt zu einer anderen Uhrzeit. Die Flüchtlinge, Farbkarte Blau, kommen nach den anderen Farben. "Wir dachten erst, sie fühlen sich diskriminiert", gibt Hanni Hentemann zu Bedenken. Das sei aber nicht der Fall. "Worüber sich alle freuen, sind Schokolade und Süßigkeiten", sagt Hanni Hentermann. Bei den Flüchtlingen ist es so, dass viele kein Schweinefleisch essen. Die Ehrenamtler wissen das und das Wort "halal" wird als Synonym gehandelt für Schweinefleisch-frei. "Viele Vermarkter gehen schon dazu über und bilden ein Schwein auf der Verpackung ab."

Oftmals ist aber auch die Kreativität der Ehrenamtler hinter der Theke gefragt. Sie haben schon gegackert, um zu verdeutlichen, dass es sich um Hühnerfleisch handelt und bei Kaninchen wurde kurz mal gehoppelt und Hasenohren gezeigt. Das hat neben dem Verständnis einen weiteren Effekt. "Es sorgt für Heiterkeit bei den Kunden", sagt Christiane Rademaker.

Mittlerweile ist es ruhiger geworden. Nicht nur das Konzept greift, auch weniger Flüchtlinge sind da. Die meisten stammen aus Syrien, Eritrea und dem Irak. Die Fluktuation sei groß. Viele ziehe es in die große Städte, die meisten bleiben nicht lang in Kevelaer, sagen die Ehrenamtlichen.

Sie wünschen sich, dass noch mehr Kevelaerer das Angebot der Tafel wahrnehmen. "Wir hätten gerne noch mehr Rentner, die nur mit einer kleinen Rente auskommen müssen", nennt Rademaker eine Zielgruppe. "Viele Alleinerziehende sind arm dran", nennt Binn eine weitere. "Wir können die Armut nicht beseitigen", sagt er. "Aber jeder, der hier hinkommt, hat ein Einzelschicksal und unsere Damen haben für alle ein offenes Ohr."

(RP)
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