Kalkar Kalkar verabschiedet ,NVA'-Kollegen

Kalkar · Der Offizier Hans-Jürgen Schumann wurde international bekannt durch ein Pressefoto, auf dem er in NVA-Uniform ein bundesdeutsches Grundgesetz in Händen hält. Nun nimmt der 59-Jährige Abschied von der Bundeswehr.

Er versinnbildlicht ein Stück deutsch-deutscher Geschichte: Oberstleutnant Hans-Jürgen Schumann (59), zuletzt mit Dienstort Kalkar, verlässt in diesem Sommer die Bundeswehr. Kurz vor Ende seiner Dienstzeit erhielt er jetzt die Urkunde zum 40jährigen Dienstjubiläum. Schumann hat in zwei Armeen gedient, denn 1975 war er als Offiziersschüler in die damalige Nationale Volksarmee (NVA) eingetreten und nach der Wende zur Bundeswehr gekommen. International bekannt wurde das Foto, auf dem er in NVA-Uniform ein bundesdeutsches Grundgesetz in Händen hält.

Wie Kalkars Presseoffizier Oberstleutnant Klaus Sattler berichtet, hatte Schumann Werkzeugmacher gelernt, bevor er Technischer Offizier in der Luftfahrzeugwartung wurde. Bis zum Major stieg er bei den Luftstreitkräften der DDR auf. Dann kam der Glücksfall - wie Oberstleutnant Schumann es selber nennt: der Fall der Mauer, das Ende der deutschen Teilung. "Das war ein einschneidender Teil meines Lebens", so Schumann, für den diese Tage aber auch einen durchaus sorgenvollen Blick in die Zukunft bedeuteten: "Man wusste als Offizier der Nationalen Volksarmee ja nicht, wie es mit uns weitergeht."

Die Wendezeit erlebte der heute 59-Jährige mit gemischten Gefühlen. "Die Armee war in voller Bereitschaft in den Kasernen", so Schumann. Es wurde viel diskutiert über das, was da auf den Straßen passierte, aber: "Niemand in der NVA war bereit, die Waffe gegen das eigene Volk zu heben." Später, nach dem Fall der Mauer, habe man die neuen Freiheiten genossen - Westfernsehen in den Kasernen, kritische Diskussionen auch unter den Soldaten. "Da war sehr viel Euphorie", so Schumann, "aber dass es zur Wiedervereinigung kommen würde, damit hat niemand gerechnet." Die erste Berührung mit der Bundeswehr hatte Hans-Jürgen Schumann im September 1990, also noch vor der Wiedervereinigung. Auf dem bayerischen Fliegerhorst Fürstenfeldbruck, Heimat der Offiziersschule der Luftwaffe, wurden in einem mehrtägigen Seminar Offiziere der Nationalen Volksarmee in die Grundsätze der Inneren Führung eingewiesen. "Das war schon ein mulmiges Gefühl", erinnert sich Schumann an diese Zeit. Auf einmal befand man sich beim früheren Klassenfeind. Doch von Ablehnung oder gar Feindseligkeit war nichts zu spüren. "Wir sind sehr offen und herzlich empfangen worden."

Zwei Tage nach Beginn des Seminars war Hans-Jürgen Schumann dann auf den Titelseiten der Zeitungen dieser Welt. "Ein Journalist der Deutschen Presse Agentur hatte im Hörsaal fotografiert", erinnert sich Schumann. Symbolisch für die bevorstehende Wiedervereinigung ging dann ein Bild um die Welt, das Schumann in der Uniform der NVA mit dem deutschen Grundgesetz in der Hand zeigt. Bis heute hängt dieses Foto in seinem Büro - und im Haus der geschichte in Bonn.

Hans-Jürgen Schumann entschied sich 1990, auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Absicherung seiner Familie, dafür, Soldat zu bleiben. Er wurde als Hauptmann in die Bundeswehr übernommen, zunächst für zwei Jahre, und wurde 1993 schließlich zum Berufssoldaten ernannt. Vier Jahre später folgte die Versetzung nach Kalkar. Schumann war in Afghanistan und bei drei Kriegsgräber-Einsätzen in Rumänien und der Ukraine. Am Niederrhein ist der gebürtige Harzer mittlerweile heimisch geworden. Mit seiner Frau lebt er heute in Pfalzdorf. Einen Sohn und eine Tochter hat das Ehepaar, und zwei Enkelkinder halten sie gut auf Trab.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort