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Mönchengladbach Als Gladbach Furore als Wintersportort machte

Mönchengladbach · Das "Snow Event" lockte um die Jahrtausendwende bis zu 300 000 Zuschauer zur Hindenburgstraße. Es gilt als Vorläufer des Düsseldorfer Langlauf-Weltcups und von Veranstaltungen wie dem Biathlon-Rennen auf Schalke. Die Hoffnung auf ein Comeback blieb stets lebendig.

 Rund 300 000 Zuschauer verfolgten die Synchro-Ski-Wettbewerbe auf der in Schnee gehüllten Hindenburgstraße.

Rund 300 000 Zuschauer verfolgten die Synchro-Ski-Wettbewerbe auf der in Schnee gehüllten Hindenburgstraße.

Foto: Detlef Ilgner (5)

Die Aufzeichnungen sind nicht einmal 13 Jahre alt, sie sind auch in Farbe. Und doch wirken sie wie ein Dokument aus grauer Vorzeit. Menschen feiern in dem fünfminütigen Youtube-Zusammenschnitt auf den Treppen eines Stadttheaters, das es längst nicht mehr gibt. Die dazugehörige Haltestelle einer gewissen NVV heißt "Musical Bühne". Auf Werbebannern taucht Nokia auf - Jahre bevor die Firma, vom späteren (und längst wieder Ex-) Ministerpräsidenten Rüttgers als "Subventions-Heuschrecke" bezeichnet, NRW den Rücken kehren wird; und daneben der Musiksender Viva, der damals noch Musik sendet. Die Targo- firmiert noch als Citibank, und 800 Tonnen Schnee verwandeln die Hindenburgstraße zum wiederholten Mal in ein winterliches Paradies.

 Von einem künstlichen Steilhang stürzten sich die Sportler die ohnehin bereits steile Piste hinab. Auch Jedermann- und Kinder-Rennen wurden angeboten.

Von einem künstlichen Steilhang stürzten sich die Sportler die ohnehin bereits steile Piste hinab. Auch Jedermann- und Kinder-Rennen wurden angeboten.

Foto: Ilgner, Detlef (ilg)

Kunstschnee, wohlgemerkt. Es ist die Zeit der Jahrtausendwende, als das am platten Niederrhein gelegene Mönchengladbach jäh zum Wintersportort erster Güte aufsteigt: Viermal zwischen 1998 und 2001 findet auf dem Steilhang Hindenburgstraße das "Snow Event" statt, das "einst als Werbegag gedacht war und sich mittlerweile zu einer ernstzunehmenden sportlichen Veranstaltung gewandelt hat", wie die renommierte Frankfurter Allgemeine 2001 schreibt - im Ressort Sport im Übrigen. Mehr als 300 000 D-Mark werden seinerzeit investiert, 300 000 Zuschauer säumen auf den Hindenburg-"Hängen" die von Tiroler Experten präparierte und mehr als 200 Meter lange Piste.

Beim "Synchro-Ski", einem Paarwettbewerb, ist das Ziel, die Strecke möglichst synchron zu absolvieren. Im letzten Jahr, 2001, gehen dabei mehr als 100 Läufer an den Start. Dazu gesellen sich in zwei Jahren die Snowboard-Cracks, darunter 2001 der amtierende Weltmeister Magnus Sterner aus Schweden, auf dem Theatervorplatz. Über die tatsächliche sportliche Wertigkeit des Snow Events rümpfen einige Anhänger der reinen Wintersport-Lehre die Nase, doch unbestritten ist: Im Prinzip ist die Veranstaltung mit ihrer innovativen Mischung aus Sport und Unterhaltung für die breite Masse damals ihrer Zeit voraus.

 Meins: Der Neusser Kunstschnee bot sich auch für Schneemann-Bauten an.

Meins: Der Neusser Kunstschnee bot sich auch für Schneemann-Bauten an.

Foto: Strücken

Hüttengaudi, Après-Ski-Musik, österreichische Dampfplauderer an den Mikrofonen, Mitmachwettbewerbe, Szene-Stars wie Marc Girardelli, Rosi Mittermaier und Christian Neureuther zum Anfassen - heute, in Zeiten hochgezüchteter Events wie dem Red Bull Air Race, würde vermutlich ein zugkräftiger Sponsor seinen Namen dazugeben, wäre alles bis ins letzte Detail professionell durchgestylt, würden Spartensender Livebilder ins Fernsehen und ins Internet beamen. Damals wird die Veranstaltung mal Snow Event, mal Ski-Event, mal Synchro-Ski-Weltcup genannt, es greift beileibe nicht jedes Rädchen ins andere. Mehr noch, es knirscht hinter den Kulissen regelmäßig im Gebälk, nicht zuletzt zwischen City-Management und dem wichtigsten Partner, dem Gladbacher Wintersport-Spezialisten Allrounder.

Dieser eröffnet 2001 in Neuss - und nicht in der Vitusstadt - Deutschlands erste Skihalle und springt noch im selben Jahr beim Snow Event ab. Es ist für Gladbach damit Geschichte - und für Allrounder "der Ausgangspunkt zu einer bis heute anhaltenden Reihe unterschiedlichster Events". Schon 2002 etwa gibt es den Langlauf-Weltcup in Düsseldorf, der Gladbach den Rang als zuschauermäßig größte Skicup-Veranstaltung der Welt abluchst und im Gegensatz zum Snow Event im Fernsehen übertragen wird. Und auch Veranstaltungen wie Biathlon auf Schalke hätte es ohne den Versuchsballon am Niederrhein womöglich nie geben. Insofern war Gladbach mit seiner ebenso bescheuerten wie genialen Idee, auf einer steilen Einkaufsstraße Ski zu fahren, absoluter Vorreiter.

 Altmeister Christian Neureuther war seinerzeit zu Besuch in Gladbach.

Altmeister Christian Neureuther war seinerzeit zu Besuch in Gladbach.

Foto: Ilgner, Detlef (ilg)

Vielleicht auch deshalb blieb die Hoffnung auf eine Neuauflage stets lebendig. Aktuell ist sie eng verbunden mit der Fertigstellung des Minto und des Platzes am Sonnenhaus. Dann, hoffen einige, könnte die herausgeputzte Innenstadt reif für ein Comeback sein. Interessenten sollen schon in den Startlöchern stehen. Warum auch nicht? Es wäre eine Rückkehr zu guten Wurzeln.

(RP)
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