Mensch Gladbach Bonin, Juve und mein englischer Buchmacher

Mönchengladbach · Der zurecht gerühmte Baumeister der Landeshauptstadt will künftig lieber Gladbach als Düsseldorf nach vorne bringen. Investoren ist plötzlich kein Weg zu weit in die Stadt, die sie früher nicht buchstabieren konnten. Und Juventus Turin geht auf Punktejagd im Borussia-Park. Man erkennt sein Gladbach kaum noch wieder. Gut so!

Mist! Hätte ich vor einem guten halben Jahr bei einem englischen Buchmacher auf die Kombiwette gesetzt, dass am 3. November Gregor Bonin in der Sitzung des Bauausschusses als Dezernent die Position der Gladbacher Verwaltung zu ein paar Bauvorhaben erläutert und ein paar Stunden später Juventus Turin in der Champions League im Borussia-Park antritt, wäre ich jetzt Milliardär und könnte im JHQ einen Freizeitpark bauen. Kann ich nicht. Machen ja hoffentlich andere. Viel wichtiger aber: Am 3. November dribbeln nun tatsächlich Bonin und Juve live in Gladbach.

Für die mehr Fußball- als Politikkundigen: Bonin in Gladbach - das ist ein bisschen so, als würde Arjen Robben erklären: Klar verdient man beim FC Bayern mehr und spielt öfter Champions League - aber ich habe trotzdem mehr Bock auf Borussia. Seine fachliche Kompetenz, seine kreativen Lösungen, seine Kontakte und seine Hartnäckigkeit werden diese Stadt nach menschlichem Ermessen erheblich voranbringen. Sein durchschlagendster Effekt wird aber womöglich ein ganz anderer sein: Bonin ist ein Mann, der für einen Paradigmenwechsel in der Verwaltung sorgen kann. Weg von dem Selbstverständnis einer Genehmigungsbehörde, die vermeintlich Schlimmes zu verhindern hat, hin zu einem Ermöglichungskonzern, der weiß, wo er hin will und im Zusammenspiel mit Investoren dafür sorgt, dass es genau so kommt.

Apropos Investoren: Als in dieser Woche Industrie- und Handelskammer und Wirtschaftsförderung bei einer Veranstaltung vorstellten, was sich gerade so in Gladbach tut und wo noch Platz für ein paar schöne Gebäude wäre, da spitzten im Publikum ein paar Menschen mit dem nötigen Großgeld die Ohren, die von weit her angereist waren. Die kannten Mönchengladbach noch vor zwei Jahren nur als die Stadt, die wegen der vielen Buchstaben die Bundesligatabelle in der Sportschau sprengt. Jetzt wissen sie, dass Gladbach gerade ziemlich sexy und dazu - noch - vergleichsweise günstig ist.

Keine guten Zeiten für Miesepeter. Klar, man kann sich ein bisschen warm nörgeln für die Champions League. Spielt Borussia da das erste Mal in diesem Jahrtausend mit - und wird den Wettbewerb wahrscheinlich nicht mal gewinnen. Unfassbar! Übrigens, liebe Ultras und selbst ernannte Bewahrer der selbst definierten Fankultur: Den Fanblock beim Derby in Köln freizulassen, ist eine ziemlich kindsköpfige Aktion. Schon beim Versuch, durch Applausverweigerung die Liga zu einheitlicheren Anstoßzeiten zu zwingen, hätte das Kurvenvolk lernen können, wer in diesem Business das Sagen hat und wer nicht. Sich selbst nicht allzu wichtig zu nehmen, ist eine Disziplin, in der die Fans noch mehr Luft nach oben haben als Borussia in der Tabelle.

Der Bahnhof als stillgelegte Dauerbaustelle, eine Zeltstadt, die wir vielleicht für die Flüchtlinge brauchen und Rocker-Clans, die sich ihre Gesetze selber machen - es gibt sie noch reichlich, die schwierigen Themen für die Stadt. Ich habe aber heute ausnahmsweise keine Zeit mehr für so was. Muss meinen englischen Buchmacher anmorsen, damit ich nicht noch mal so eine Chance verpasse. Werde darauf setzen, welcher Borusse im Champions League-Finale am 28. Mai in Mailand das erste Tor schießt.

(RP)
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